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Größenwahn

Größenwahn

Titel: Größenwahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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lange nicht daran denken. Es wird ihm auch ohnehin nie einfallen.« Wieder klopfte draußen die Wirthin. Beide rührten sich noch immer nicht. Sie standen lautlos nebeneinander und blickten – sie auf die dunkle Straße, er auf ihrem schönen gramzuckenden Mund.
    »Ach,« seufzte sie plötzlich, »Ich habe Den auch vergessen. Ich bin Niemandem gut, Niemandem.«
    »Danke!« lächelte er und fuhr mit dem Finger ihre klassisch geschnittene Nase entlang.
    »Ach, ich meine nicht so..« flüsterte sie verwirrt, »Nur nicht so wie damals..«
    »Nun und der Kohlrausch?«
    »Ach, das war nur Spaß. Es kann sein, daß ich hassen werde.« Sie nahm die Lampe, zündete sie langsam und stand, auf den Tisch gelehnt, nachdenklich da. »Wir müssen uns jetzt trennen. Meine Wirthin wird sonst bös.«
    »Soll ich mitkommen?« fragte er zum Scherz.
    »O ja wohl,« lachte sie freundlich. »In der Zeit können Sie ja was zeichnen, wie?«
    »Nein, nein. Ich muß fort. Ich muß auch meine Uhr einlösen.«
    »Ihre Uhr?« fragte sie rasch mit einem eigenthümlichen Aufblitzen der Augen.
    »Nun ja, ich war Dir vorgestern untreu, mein Schatz,« sagte er lächelnd. »Dabei mußt' ich meine Uhr lassen, weil ich zu viel Geld zum Fenster hinauswarf.« Sie schmollte, aber ohne bös zu werden. »Also gut denn, trennen wir uns. Morgen Abend geht's fort?«
    »Ja. Ach, ich werde an diese Stube zurückdenken, so lange ich lebe,« seufzte sie. »Die thränenreichsten Stunden meines Lebens verbracht' ich hier. Und dennoch.. mir wird der Ort stets theuer sein.« Beide sahen sich ernsthaft an.
    »Und unter welchen Umständen geh ich weg – ach Gott!« Sie sah wieder wie geistesabwesend in die Luft. »Nun,« murmelte sie halb vor sich hin. »Meine Wirthin geduldet sich ja..«
    »Wie, brauchst Du Geld?« fragte er hastig.
    »Es ist mir nur um die Uhr..« stammelte sie verwirrt.
    »Wie, hast Du die noch nicht einlösen können? Sagen Sie, wieviel Sie dazu brauchen?«
    »Ach, nur 42 Mark.«
    »Hier sind sie.« Er legte zwei Goldstücke auf den Tisch.
    »O, besten Dank! Von keinem Andern würd ich einen Pfenning annehmen. Der Eberhart hat auch immer gefragt, ob ich Geld brauchte, und ich hab stets gesagt: Ich brauch nichts. Nur von Ihnen..«
    »Nun, das versteht sich doch von selber.«
    »Ich werd es auch sobald wie möglich zurücksenden.«
    »Unsinn! Ich weiß, daß Sie das thun werden, obschon es gar nicht nöthig ist. – Da, steck's ein, damit es die Wirthin nicht sieht.« Sein nobler Sinn sträubte sich dagegen den Begriff des Darlehns zwischen so Nahestehenden überhaupt als vorhanden zu betrachten. Sie fühlte das instinktiv; ein schöner und sanfter Ausdruck veredelte ihre Züge, indem sie vor sich nieder auf die Tischecke blickte und fortwährend mit dem Bleistift an den Rand eines Modejournals kritzelte, der schon mit ähnlichen Hieroglyphen bedeckt war. – Schon wieder klopfte die Wirthin. Kathi sagte aber diesmal nichts und athmete schwer.
    »Das Kurze und Lange von all unsrer Papelei ist also,« sagte er trocken, indem er seinen Ueberzieher anzog und sich seinen Stock gestützt hochaufrichtete, »was ich versprach, bleibt bestehen. Aber natürlich muß ja Jeder von uns sein Leben selber ordnen.« Er sprach noch so eine Weile, wobei er sich in Parenthesen einließ und das Satz-Ende nicht fand, bis er sich unterbrach: »Holla, wo ist denn mein Hut?« Er fand ihn und setzte ihn auf, indem er lachend murmelte »kann ohne ihn nicht weiterreden.« In Wahrheit wollte er sich im Hute besser ausnehmen, da er sein sonst lockiges Haar kurz vorher hatte scheeren lassen.
    Sie aber stand noch immer in sinnender lauschender Stellung über den Tisch gebeugt und lachte nur leicht über sein komisches Hut-Manöver. Er hatte damit auch die Beobachtung erzielt, daß sie ihn gern ruhig in einem Zuge zu Ende gehört hätte. So hob er denn wieder an: »Was hinter uns liegt, darunter mach' ich einen Strich. Die Vergangenheit ist für Beide aus und zu Ende. Aber Deine Zukunft gehört mir und natürlich, wenn da was vorfällt ... Wäre ich nur den hundertsten Theil gegen andere Frauenzimmer so gewesen wie gegen Dich, so würde Jede für mich die größte Zärtlichkeit bekommen haben.« Sie zuckte leicht auf und erröthete, sich über den Tisch beugend, indem ihr Busen sich hob. »Natürlich, was nun in Zukunft kommt ... wenn Du wirklich nicht so für mich fühlst, wie ich für Dich – dann, ja dann kann ich nicht mehr mitspielen. Meine Selbstverleugnung in materieller

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