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Größenwahn

Größenwahn

Titel: Größenwahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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mal dasselbe durchzumachen hätte. Nun, das hab' ich durchgekostet.« Plötzlich fing sie an zu weinen: Zwei heiße Thränen rollten ihre schönen Wangen herab. Eduard wandte sich ab, um seine Erregung zu verbergen.
    Es dämmerte sehr stark. Die Uhr schlug draußen: schon halb neun Uhr! Wie die Zeit rasch verflossen war! Die Wirthin klopfte an die Thür. Sie seufzte schwer auf.
    »Meine Wirthin wird ungeduldig. Wir sollten zusammen noch einmal spazieren gehn in der Dunkelheit. Ich war den ganzen Tag nicht draußen.«
    »Also soll ich gehn?«
    »Ach nein, bleiben's noch ein bissel.«
    Eine Pause trat ein. Sie versank in Gedanken, er ging langsam im Zimmer auf und ab.
    »Nun gut,« sagte er endlich, »Etwas hat Sie ja doch aus Passau weggetrieben – damals als Sie ins Wasser gehn wollten, wie man mir drunten erzählte.«
    »Ins Wasser? Nein, das ist nicht wahr.« Sie sah mit einer gewissen gelassenen Gleichgültigkeit in den dunkeln Himmel hinauf.
    »Nun, wo ist denn Ihr Passauer Jüngling da geblieben?«
    »Mein Passauer? Ich weiß nicht, wovon Sie reden.«
    Er drehte sich ungeduldig um. »Nun, ich meine, Ihre große Liebe da..«
    »Wer denn? Nein wirklich, ich weiß nicht, was Sie meinen. Ich hab nie einen Landsmann geliebt.«
    »Ich denke, einmal sollten Sie ja eine gute Parthie machen und Ihr Vater hat's nicht gelitten?«
    »Ach Gott, was man da wieder geschwindelt hat! Nein, als ich nach Haus zurück mußte, da war Einer da, der mich heirathen wollte, ein Nachbar von uns, ein junger Mann, der ein großes Fleischergeschäft geerbt hatte. Der hielt um mich an, er war – kurz« – sie machte ein befriedigtes Gesicht – »er wollte mich haben. Aber ich mochte nicht.. und ein viertel Jahr drauf hat er eine Andre geheirathet.«
    »Hm,« sagte er, »dann versteh ich nur das Alles nicht. Wer ist denn nun der geheimnißvolle große Unbekannte, der..«
    Sie schwieg.
    »Sagen Sie's mir! Ich sehe, daß Sie das quält. Nun, ich bin Dein einziger Freund. Einer Freundin sagt man so was nicht. So sag mir's!«
    Seine ernste Stimme hatte für sie stets etwas dämonisch Zwingendes. Sie wandte sich und sah ihn an Ihr Gesicht flammte und eine Thräne blitzte an ihrer Wimper.
    »Nun gut, so will ich Ihnen sagen, was noch nie Jemand gehört hat. Aber Sie werden es Niemanden sagen?«
    »Nie, meine Hand darauf!«
    Sie hob mit stockender Stimme an, aber erzählte ohne Befangenheit mit einer gewissen gleichgültigen Ruhe: »Ich war 17 Jahr alt, als ich nach Trient geschickt wurde, um dort in einem Hotel, das einem Verwandten von uns gehörte, bei der Wirthschaft zu helfen. Und da war ein Offizier vom Genie, dem alle Mädel nachliefen. Ich glaube, das war's nur, was mich reizte.«
    »Aha! Und woher?«
    »Aus Ungarn.«
    »Ach was Teufel! So, und der waral so Deine große Flamme?«
    »Ach, ich weiß selbst nicht recht. Ich glaube gar nicht, daß ich ihm so gut war. Es war nur.. Eitelkeit.«
    »Weil er Hauptmann von Genie war?« fragte er mit leichter Ironie.
    »Nein, weil die Mädel ihm nachliefen. Ach, als die Geschichte 'rauskam und mein Vater davon hörte und mich nach Haus befahl, da hat er geweint, viel mehr wie ich – er, ein Mann und Offizier!« Ein etwas verächtlicher Beigeschmack lag bemerkbar in diesen Worten. Eduard mußte, instinktiv fühlen, daß sie eher mit Ekel und Geringschätzung an diese Jugendliebe zurückdachte. »Und dann.. aber Sie dürfen nie je zu Jemand ein Wort davon sagen, nicht wahr? Das wär abscheulich..« auf seine abwehrende Handbewegung fuhr sie rasch fort. »Als er nun fortversetzt wurde und ich fortmußte, da glaubte ich meine Schande nicht überleben zu können. Und nun that ich was ganz Verrücktes. Ich stand in der Nacht auf, nahm die Streichholzschachtel, schabte von allen Streichhölzern den Phosphor ab, und trank das mit Wasser. Aber meine Natur war kräftiger als das Gift. Ich bekam nur furchtbare Kopfschmerzen – das war Alles.«
    »So und weiter kam nichts?« fragte er mit besonderer Betonung. Sie erröthete leicht und schüttelte ernst den Kopf.
    »Nicht das Geringste.« Wieder trat eine Pause ein. »Ach,« sagte sie plötzlich, »ich glaube, ich hab ihn doch furchtbar gern gehabt.«
    »Und haben Sie weiter nichts von ihm gehört?«
    »O ja. Er hat gesagt, daß er mich heirathen wolle, wenn er pensionirt ist – eher kann er's nicht.«
    »So? Wie alt ist er denn?« fragte Eduard mit einer leisen Regung eifersüchtigen Mißtrauens.
    »Dreiundreißig.«
    »Ach Herrje! Da kann er ja noch lange

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