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Größenwahn

Größenwahn

Titel: Größenwahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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luftigen lichten Brücken,
    Drauf der Gedanke weiterzieht.
     
    »Sind Sie leidend, Herr Rother?« fragte der würdige Herr Bammer, als Eduard dort sein spätes Abendbrot verzehrte. »Nicht? Sehn so blaß aus. Gestern Abend war einer von Ihren Freunden hier, der Herr Luckner. Wir haben lange geplaudert.«
    »Was Sie sagen!« versetzte Rother kühl. Er konnte sich denken, daß auch über Kathi alle Mordsgeschichten ausgepackt waren. Luckner, der talentvolle Maler griechischer Interieurs
à la
Alma Tadema, schien der letzte, den er als Mitwisser dieser Affaire gewünscht hätte. Er empfahl sich bald und begab sich in das Sumpf-Café, wo seine Freundin Mary ihn mit Begeisterung empfing. Eine Rose, die sie ihm geschenkt, hatte er aus absichtlicher Koketterie ins Knopfloch gesteckt. Obwohl sie theure Weingäste hatte, ließ die von Eros' Pfeil Getroffene dieselben sitzen und schmiegte sich an den Verzehrer eines Glases Bier, der mittlerweile auch seine Uhr wieder eingelöst hatte. Als sie aber immer zudringlicher wurde, konnte er sich nicht verkneifen, aus einer halb braven halb frivolen Laune das Bild Kathis hervorzuziehn, was natürlich Marys komische, Eifersucht entflammte. »Meinem lieben Freunde,« las sie die Aufschrift. »Nun, wenn Du nur ihr Freund warst –!« Er zuckte die Achseln. »Ach Du willst mich ja nur foltern!« schluchzte sie beinah. Und indem sie ihn mit leidenschaftlicher Zärtlichkeit umschlang, flüsterte sie die Lieblings-Liebesphrase ihres Kellnerinnenjargons: »Bit Du meine Nauze?« Er ging mit ihr nach Hause.
    Als er am andern Morgen heimkehrte, warf er noch in grauender Dämmerung eine Zeichnung Kathis aus der Erinnerung aufs Papier – sie aufwärts blickend, während eine Geniengestalt (mit ihm ähnlichen Zügen) herniederschwebend einen Lorbeerkranz auf ihre Stirne drückt; hinterher ein Gedicht, um seine wechselnden Empfindungen abzulagern. Einen Augenblick bedachte er sich, dann packte er Beides in ein Couvert und schrieb ein paar glühende Liebesworte dazu, die »Theure Khati« anhoben und »Ich konnte mein Blut für Dich opfern« endeten. Er sagte darin, daß all seine Kräfte sich verdoppeln würden, wenn sie sein wäre, daß nur sie ihn von seiner Liederlichkeit durch seine reine Liebe für sie befreien könne und daß sie allein ihn glücklich machen könne, wie er sie sicher glücklich machen werde. Der Brief athmete reinste zarteste Liebe und nahm kein Recht irgendwie voraus. »Nur um eins beschwöre ich Sie: Werfen Sie sich nicht fort! Sie sind viel zu edel und vornehm angelegt, um sich einem Rausch der Leidenschaft hinzugeben?«
    Es lag zwar eine gewisse Brutalität darin, ihr so unverhohlen mitzutheilen, daß er am Abend nach dem innigen Abschied von ihr, seiner wahren Liebe, einem so gewöhnlich sinnlichen Gelüst nachgegeben – aber doch auch eine rührende naive Aufrichtigkeit, die dem geliebten Wesen, der Freundin seiner Seele, auch nicht seine geheimsten Schwächen verbergen wollte.
    Das seltsame Gedicht lautete mit seiner Mischung von sentimentaler Hingebung und Selbstherrlichkeit, die an Größenwahn streifte:
     
    »Wie kalt Du heute bist!« sprach sie mit heißem Munde,
    Der düftend stets an meinen Lippen hing.
    Ja innen blutete geheim die alte Wunde:
    Dein Bild durch meine Seele ging.
     
    Dich hab ich nicht geküßt, als ich die Hand Dir drückte
    Mein Lebewohl hat stumm Dich angeschaut.
    Doch ewig bleibst, wohin das Schicksal Dich entrückte,
    Du meiner Seele angetraut.
     
    Ja, eine Liebe giebt's, die einmal nur geboren,
    Wie eine Perle nur die Muschel giebt.
    Und ob ich hundertmal auch Liebe zugeschworen,
    Ich habe einmal nur geliebt.
     
    Ja, jeder neue Kuß, den wild ich mit ihr tauschte,
    Verschärfte einzig meiner Sehnsucht Pein.
    Bei ihrer Liebesgluth, die gestern mich berauschte,
    Durchfröstelt's kalt heut mein Gebein.
     

 
    O Leben, schlechter Spaß! O wechselnd Rad der Liebe!
    Sie fühlt für mich, was ich für Dich gefühlt.
    Was hab ich wachgeküßt der Hoffnung eitle Triebe,
    Indeß mein Herz von Qual zerwühlt?
     
    »
My darling!
« seufzt sie leis, die Wimper lustbefeuchtet.
    Jaja schon gut, mein interessantes Kind.
    Den Dämon kenn ich wohl, der mir im Auge leuchtet
    Und der Dein kluges Hirn umspinnt.
     
    Nur Liebenswerthe sind's, die je mein Kuß gesegnet,
    Kein fades Herz sich mir zu eigen giebt.
    Die Liebenswertheste allein, die mir begegnet,
    Die Eine hat mich nie geliebt.
     
    Die kluge Thörin hat der Liebespfeil getroffen,
    Der tiefer

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