Größenwahn
Dein Freund bin ich und werde es bleiben.«
Eine Pause entstand, wo sich Beide stumm Auge in Auge maßen.
»Sagen's,« sagte sie rasch, »Ist Dein Bild, wovon Du sprachst, schon ausgestellt?«
»Ja. Da! Ich hab zufällig ausgeschnitten bei mir, was drüber geschrieben ist.« Er zog ein Zeitungspapier aus der Brieftasche. Sie las:
»Eine so meisterhafte Pinselführung ist geeignet, jede Kritik zu entwaffnen. Der grandiose Realismus des Ganzen verblüfft gradezu. Dies Werk wird einen Markstein in der Geschichte der Berliner Kunst bilden und weithin Sensation machen.«
Sie wiederholte nachdenklich und nachdrücklich den letzten Satz, gleichsam mit ernstem Stolz, als ob sie an dem Erfolg theilhabe und Mitarbeiterin sei. Eduard fand das entzückend. »O, es haben's aber auch Andere verrissen!« warf er hin.
»Dies thut nix,« urtheilte sie rasch. »Was sehr gelobt wird, wird auch sehr getadelt. Nun, haben's auch mal wieder auf mich Gedichte gemacht, wie? Da steckt was Weißes,« kicherte sie mit reizender Schalkhaftigkeit, indem sie in sein Notizbuch griff. Er litt nämlich stark an Dichteritis, die ihn wie eine geistige Cholerine besonders im Sommer heimzusuchen pflegte. Es sprudelte jedoch etwas Spontanes in diesen kunstlos ungequälten Ergüssen und sie wären eines echten Lyrikers,
à la
Professor Gräf, nicht unwürdig erschienen.
»Ja. Ich war wüthend und ärgerlich. Darum schrieb ich das.« Er las mit Emphase folgenden Erguß verkniffenen Größenwahns:
»Ein feiger Narr der Leidenschaft,
Verblendet taumelte ich hin.
Nun hat sich endlich aufgerafft
Mein wundzerriebener Mannessinn.
Du könntest mich vernichten, Weib?
Ich selber war's, der mich zerstört.
Dem Weib im parfümirten Leib
Kaum eine Seele angehört.
Dein seelenloser eitler Schwatz
Hat nie verdunkelt mein Gemüth.
Der Liebe Opferqual mein Schatz,
Hätt' mich auch ohne Dich durchglüht.
An eigner Seelenschönheit siech,
Hinfiebern wir in holdem Wahn,
Bis wir ein Herz in jedem Viech,
In jedem Kothe Perlen sahn.
Nun laß den Satan los in Dir,
Weil Einer Dich als Engel nahm!
Nur wisse eins, ich warne hier:
Der Löwe ist nicht immer zahm .
Und wisse jeder weise Wicht,
Den meine Narrheit tief entzückt:
Ein Schaf macht solche Streiche nicht,
Der Löwe nur ist oft verrückt.
Ich lache ob den abgeschmackten Laffen,
Die mich anglotzen mit den Bocksgesichtern.
Ich lache ob den Füchsen, die so nüchtern
Und hämisch mich beschnüffeln und begaffen.«
So, Heinrich Heine, klang Dein gelles Lachen,
Als Dich des Pöbels fader Hohn erniedert,
Als alberner Verderbniß Höllenrachen,
Der Dummheit Heuchelei, Dich angewidert.
Wer edel denkt, wird ewig unterliegen,
Wer Liebe sucht, der Selbstsucht Wollust finden.
Und doch wird nie das Böse ihn besiegen,
Weiß er den Thorenschmerz zu überwinden.
Nichts lebt, was würdig ist geliebt zu werden
Mit eines Künstlerherzens heiliger Reinheit.
Betrogen wird, wer je vertraut auf Erden
Dem Wahn, man ändere menschliche Gemeinheit.
Doch nicht das Lachen kann Dir Ruhe bringen.
Es stärke sich Dein Stolz durch Selbstbetrachtung!
Und jede Bosheit wirst Du niederringen
Durch Deines Mitleids göttliche Verachtung.
Sie hörte aufmerksam zu, indem sie die Hand an den Mund und brachte und leicht am Zeigefinger knabberte. Dabei sah sie ihn mehrmals strahlenden Auges an. »Durch Deines Mitleids göttliche Verachtung!« wiederholte sie halb für sich. »Spricht wie ein Heiliger. Sieh mal hier!« sprang sie plötzlich auf und hüpfte an die Kommode, von der sie eine Schnur mit aneinandergereihten Georgsthalern nahm. »Gefallt Dir das?«
Er ließ sie sinnend durch die Hand gleiten. »St. Georg – glaubst Du an solche Heilige noch?«
»Jo,« sagte sie ernsthaft.
»Nein, mein Kind, die Heiligen helfen nichts.«
»Glaubst Du denn auch nicht an Christus?«
»O ja, Christus lebt noch immer in jedem seiner Jünger. Jeder, der gut ist und liebevoll, wird gekreuzigt als ein Stück Christus.«
»Muß denn Jeder dabei gekreuzigt werden, wenn er liebevoll ist?«
»Hm, ja. – Er kann aber trotzdem viel glücklicher sein, als die Andern. Denn Mitleid und Erbarmen machen glücklich. Damit kommt man über Vieles weg, wenn man statt zu verurtheilen sagt: ›Wer sich rein fühlt, werfe den ersten Stein auf sie.‹ Und das wirkt auch allein. Die Sünderin hat sicher nicht mehr gesündigt.«
»So, hm?« machte sie. »Man sagt doch aber, selbst die
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