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Größenwahn

Größenwahn

Titel: Größenwahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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Gerechten fielen zehnmal an einem Tag.«
    »Das ist anders zu verstehn. Den strengen Maßstab von Christus kann doch kein Mensch erfüllen. Er predigt: ›Wer die Ehe bricht, der soll des Todes sterben sagt das Gesetz‹. Ich aber sage euch, wer nur ein Weib fleischlich begehrt, der soll des Todes sterben. Und wenn das Gesetz den Todtschläger tödtet, so soll schon der des Todes sterben, der seinen Nächsten haßt. Wer sollte da nicht wohl zehnmal des Tages fallen!«
    »Oder sonst was gut's,« murmelte sie gedankenlos und kante an ihrem Finger, indem sie ihn verstohlen anschielte.
    »Also heut zum letztenmal!« murmelte er.
     
    »Nun wirst Du ruhn für immer,
    Du müdes Herz. Hin ist der Wahn, der letzte,
    Den ewig ich geglaubt.
    Beruhige Dich! Laß diese
    Verzweiflung sein die letzte! Kein Geschenk hat
    Für uns das Schicksal als den Tod. Verachte
    Die grenzenlose Nichtigkeit des Ganzen.«
     
    Diese Leopardischen Verse, die er halblaut vor sich hin gesummt, schienen ihrer Stimmung besonders zuzusagen. Denn sie stürzte eiligst zu ihrem Koffer und entnahm demselben ein schwarzes Büchlein, worauf ›Poesie‹, zu lesen stund. »Ach bitte, schreib mir das ein!«
    »Was, hier?« Er nahm das Büchlein und entfaltete es. Nur wenige Seiten beschrieben. Auf der ersten, die er aufschlug, fiel ihm ein kleines Lied entgegen, das er ihr einst gestiftet. Darunter: »Erinnerung an E.R.«
    »Das hat mir zu gut gefallen,« erklärte sie mit lieblichem Erröthen. – Dann kam da ein Gedicht auf Passau »mit dem großen heiligen Dom« und dem rauschenden Inn. »Von wem ist denn das nun?«
    »Von mir,« sagte sie lächelnd.
    »Oho! Und was haben wir denn hier?
     
    ›Entfaltet gleichsam einer Rose,
    Schaust Du aus lustigen Augen in die Welt hinein.
    Ich rufe jetzt auf Wiedersehn,
    Heut wo wir Zwei am Scheidewege stehn,
    Ich schließe Dich in mein Herzkämmerlein.
     
    Reimen thut sichs zwar nicht, aber 's ist wahr.‹
    Donner und Doria, welch ein Poet! Der scheint ja eine fabelhafte Leidenschaft für Dich zu haben! Wer ist denn das nun wieder?«
    »Herr Kohlrausch,« lispelte sie tieferröthend.
    »So? Nun, da dank ich schön.« Rother stand auf, warf das Buch auf den Tisch und ging mit raschen Schritten auf und ab. »Also seid ihr schon einig?«
    »Aber nein doch! Ich weiß nicht, wie Sie mir vorkommen!« rief sie ängstlich.
    »Nun, das Zeug ist zu schlecht, als daß er's abgeschrieben hätte. Also hat er's selbst gemacht. Also ist er sterblich verliebt. Und daß Sie sich das einschreiben lassen, zeigt noch mehr. Und da bilden Sie sich ein, Eduard Rother wird sich neben dem Kerl da verewigen? Nein, meine Theure, das ist zu viel verlangt. Am Ende bin ich doch Eduard Rother.«
    »Aber was Du doch immer gleich denkst!« sagte sie ruhig. »Wenn Dem so wäre und ich interessirte mich für ihn, so würde ich's Dir doch nicht gezeigt haben.«
    »Das ist wahr,« gab er betroffen zu.
    »Das kam einfach so. Er besuchte mich mal, als ich nicht hier war, und sah meine Poesie-Sachen hier herumliegen, weil ich immer Ihre Sachen lese. Da hat er nun gehört, wie viel ich mir daraus mache, und hat mir darum solch ein ›Poesiebuch‹ geschenkt, und sich ganz ohne meinen Wunsch darin selbst zuerst eingeschrieben.«

    »So,« sagte er befriedigt. »Meinethalben. Aber ich schreibe mich nicht hier ein.«
    »Ja, ich muß nur machen, daß ich Ihre Photographie in Sicherheit bringe,« fuhr sie piquirt auf, »sonst nehmen's mir die auch noch weg. Bei Ihnen, Eduard, ist Alles möglich.«
    Er klopfte sie auf die Wangen und lachte. Aber ein süßes wonniges Gefühl einer gewissen häuslichen Zusammengehörigkeit durchschauerte ihn bei diesem traurigen »Kohlen«.
    Sie trat wieder ans Fenster und sah auf die Straße hinab. Ihr Busen hob und senkte sich von schweren Seufzern.
    »Dies Berlin hat mir nur Kummer gebracht und doch ist mir, als ob ich sterben müßte, nun ich's verlasse. Ich weiß nicht warum..« sie stockte. Er schwieg. »Ach, was hab' ich Gott nur gethan, daß ich so viel leiden muß.«
    »Daß Du ein Weib bist und, noch schlimmer, ein schönes Weib!« warf er achselzuckend hin. Sie überhörte das.
    »Ach, ich habe stets gehört, daß es bitter ist, fremdes Brot zu essen. Aber, daß es so bitter ist, habe ich nicht gewußt. Wenig glückliche Tage habe ich in meinem ganzen Leben genossen. Ach, in meiner Jugend, da hatte ich selber Dienstboten und quälte die halbtodt mit meinen Launen. Und Eine hat mir auch mal gesagt: Sie wünsche, daß ich

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