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Gromek - Die Moral des Toetens

Gromek - Die Moral des Toetens

Titel: Gromek - Die Moral des Toetens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Lutz
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Gewürzen abgeschmeckter Wachteln mit
sich führte. Jeder von ihnen trug ein Tablett vor sich her. Gromek hatte einen
eisgekühlten Sektkübel mit dem entsprechenden Inhalt darauf stehen, Lisa
balancierte ein Dutzend leise scheppernder Gläser.
    Sie verwendeten ihre gesamte Konzentration darauf, sich möglichst
wie alle anderen Kellner auch zu bewegen - ein kleines Heer von guten Geistern,
die elegant und unauffällig durch die Menge zu schweben schienen. Zusätzlich
machten sie um jeden Sicherheitsposten einen weiten Bogen und erreichten so
ungehindert ihr erstes Etappenziel: die Empfangshalle.
    Unvermindert strömten weitere Gäste durch das Eingangsportal.
Gromeks Schätzung nach waren inzwischen ungefähr 600 Menschen zusammengekommen,
um dem Ereignis des Abends beizuwohnen. Ihm und Lisa konnte dieser Umstand nur
recht sein, denn je größer sie war, umso mehr Schutz bot ihnen die Menge vor
einer Entdeckung durch Direktor von Eckersdorff oder Viktor Kilar. Zumindest
bis sie die zweite Treppe erreicht hätten.
    Diese war die einzige Möglichkeit, in die oberen Stockwerke zu
gelangen. Die dort stationierten Posten hatten sie noch nicht aus der Nähe
gesehen. Dennoch war es ein gefährliches Unterfangen, denn mitten auf dem
geschwungenen Aufgang waren sie für jedermann gut erkennbar.
    Stufe um Stufe stiegen sie auf dem blutroten Teppich nach oben und
entfernten sich immer weiter von der dezent feiernden Gesellschaft.
    Unbehelligt erreichten sie das erste Obergeschoß. Als sich Gromek
einmal umblickte sah er, wie ein Stockwerk unter ihm ein nervöser Viktor Kilar,
gefolgt von Sicherheitschef Platzynski, auf Herrmann von Eckersdorff zueilte
und die Herren einander vorstellte. Lisa schaute ebenfalls nach unten.
    »Sieh mal«, zeigte Gromek mit einer Kopfbewegung, ohne seinen
Schritt zu verlangsamen. »Direktor von Eckersdorff ist also auch schon da.«
    »Ich habe ihn vor mehr als drei Jahren zum letzten Mal gesehen. Er
ist ganz schön alt geworden in der Zwischenzeit. Mit wem unterhält er sich da?
Jemand vom BKA?«
    Gromek nickte: »Wahrscheinlich einer der Verantwortlichen für die
Sicherheit auf dieser Feier.«
    »Das heißt, uns bleibt nicht mehr viel Zeit.«
    Äußerlich gelassen setzten sie ihren Weg bis in das dritte Obergeschoß
fort. Dort marschierten sie einen langen Gang entlang, geradewegs auf den Salon
zu, in dem sich der Bundesinnenminister aufhielt. Lisa versuchte sich
einzureden, sie gehörte tatsächlich zum Dienstpersonal des Hauses und hätte das
Recht und die Pflicht, sich genau in diesen Salon zu begeben, um dort den Sekt
für Minister Steinhammer zu servieren. Mit dieser Selbstprogrammierung, hoffte
sie, würden sich die Wachposten, die sie noch passieren mussten, leichter
täuschen lassen.
    Die Gläser auf ihrem Tablett klirrten verräterisch.
    Zwar wurden sie von allen Seiten beobachtet - sogar die Schäferhunde
schauten ihnen aufmerksam hinterher - aber von niemandem aufgehalten oder
danach gefragt, welcher der Herren aus dem Salon sie herbestellt hätte.
    Sie näherten sich der bewussten Tür. Gromek murmelte ihr über die
Schulter etwas zu, das sie nicht verstand. Ein nervöses Lächeln verkrampfte
sich um Lisas Mund. Ihr Herz raste. Schweißflecken krochen unter ihren Armen
hervor.
    Schließlich standen sie den Leibwächtern Auge in Auge gegenüber.
    Zunächst fiel kein Wort.
    Mit einem glatten, kleinen Lächeln präsentierte Gromek seinen
Sektkübel. Lisa stellte sich schräg hinter ihn, schob ihr Tablett vor und
schaute die Leibwächter so offen, freundlich und gewissenhaft an, wie es eine
gute Kellnerin nur konnte. »Für den Herrn Innenminister, mit freundlicher
Empfehlung vom neuen Chef de Cuisine«, hörte sie Gromeks Stimme sagen.
    Es dauerte ein oder zwei Sekunden, bevor sie begriff, was er gesagt
hatte. Welcher neue Chef de Cuisine?! Gromek glaubte doch nicht tatsächlich
...?! Lisa spürte, wie ihr Gesicht zu einer Landschaft aus hektischen roten
Flecken wurde. Atmen! ermahnte sie sich selbst. Ganz tief und ruhig ... Und sie
hatte Glück. Die Flecken verliefen, bevor sie richtig entstanden waren.
    Die beiden Türwächter verzogen keine Miene. Einer von ihnen sprach
leise in sein im Kragen verborgenes Mikrofon:
    »Olaf eins an Siegfried eins. Wir haben hier einen Kellner und
eine Kellnerin, die eine Flasche Sekt und Gläser bringen - ... - Auf Empfehlung
vom neuen Chefkoch - ...«
    Lisa schloss für einen Moment die Augen.
    Jetzt in Ohnmacht fallen können ... und aufwachen, zu

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