Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gromek - Die Moral des Toetens

Gromek - Die Moral des Toetens

Titel: Gromek - Die Moral des Toetens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Lutz
Vom Netzwerk:
Episode aus der
zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts.«
    Der unerwartete Ausbruch seiner Partnerin, zumal zu diesem
Zeitpunkt, überraschte Gromek. Er wollte sich in diesem Moment nicht mit dem
Thema auseinandersetzen, wusste aber gleichzeitig, dass sie eine Stellungnahme
von ihm verlangte, die er ihr letztendlich nicht verweigern konnte.
    »Es gibt da ein paar gängige Argumente«, begann er seine Gedanken
zu sammeln, »mit denen die Existenz von Geheimdiensten legitimiert wird.
Grundsätzlich soll eine Behörde wie die Sektion-4 - genauso wie
die Bundeswehr - der Staatsräson dienen. Zwar setzt sich jeder Staat, der
souverän auftreten will, dem permanenten Risiko aus, sich bei der Ausübung
seiner Souveränität über die Demokratie zu stellen, aber - man kann eben nicht
alles haben. Diese Tatsache ist ja auch schon länger bekannt. Schließlich wird
die Spionage nicht umsonst als zweitältestes Gewerbe der Welt bezeichnet.«
    »Nur weil es Spionage schon immer gab, heißt das noch lange nicht
...«
    »Ich bin noch nicht fertig.«
    Beide schauten einander für einen Moment an, ehe jeder von ihnen
wieder durch die Windschutzscheibe einen imaginären Punkt am Horizont fixierte.
    »Du kannst hinsehen, wo Du willst, Lisa. Gegenwärtig engagieren
sich alle mir bekannten Geheimdienste in fünf Grundbereichen: Bekämpfung des
organisierten Verbrechens, Bekämpfung des Drogenhandels, des Terrorismus, des
Rüstungsexports und der Industriespionage. Bei der Sektion-4 könnten die ersten drei Bereiche durchaus vom Bundeskriminalamt und den
Landeskriminalämtern übernommen werden. Die militärische Aufklärung, die
Spionageabwehr und die Post- und Fernmelde-Kontrolle könnten von ...«
    Lisa verdrehte die Augen.
    »Komm zur Sache.«
    »Im Grunde ist es ganz einfach«, seufzte Gromek. »Die anderen
tun's auch. Es herrscht überall Misstrauen. Und trotz der Existenz der
Europäischen Union verfolgt jedes an der Gemeinschaft beteiligte Land weiterhin
vorrangig seine nationalstaatlichen Interessen. Natürlich wäre ein Kodex
wünschenswert, nach dem jeder Staat versichern müsste, dass er seine
Geheimdienste abschaffen und fortan die Ideale des vertrauensvollen
Zusammenseins wahren würde. Aber ich kann mir beim besten Willen nicht
vorstellen, dass das irgendwann einmal passieren wird. ... Was allerdings
gewährleistet sein muss, ist eine funktionierende Kontrolle dieser Dienste. Bei Sektion-4 ist in dieser Hinsicht anscheinend etwas Grundlegendes
schiefgelaufen. Und deshalb«, Michael Gromek sah zu Lisa und betrachtete mit
unergründlichen Augen ihr Profil, »sitzen wir jetzt hier.«
    Lisa seufzte.
    »Da hat er uns also hingebracht, unser Glaubenssatz: ›Töte einen
Menschen, der 100 andere töten will, und du kannst eine Vielzahl von Leben retten!«
    Der Torwächter trat an Gromek heran, gerade als dieser darauf
antworten wollte: »Sie haben grünes Licht. Übergeben Sie mir bitte Ihre Waffen.
Sie erhalten sie zurück, wenn Sie wieder gehen. Bleiben Sie bitte zu Ihrer
eigenen Sicherheit auf den ausgewiesenen Gehwegen.«
    Lisa und Gromek sahen einander an. Kommentarlos zog Gromek seine Glock unter dem Sakko hervor. Lisa griff in ihre Handtasche und zog die SIG-Sauer heraus. Jeder von ihnen überprüfte, ob die eigene Waffe gesichert war, bevor er
sie dem Wachposten gab. Dieser trug sie gewissenhaft in eine Liste ein und
reichte sie erst Gromek, dann Lisa zum Gegenzeichnen.
     
    Sicherheitschef Platzynski zog weiter seine einsamen Runden durch
die Säle. Dabei legte er die Hände auf den Rücken und schob den kantigen
Schädel nach vorn. Unvermittelt trafen seine umherschweifenden Augen auf die
Rückseite eines der Besucher, der in einer kleinen Gruppe von acht Leuten eine
Anekdote zum Besten gab. Er trat an den Mann heran und legte ihm eine schwere
Hand auf die Schulter.
    »Verzeihung, wenn ich störe, Herr Kilar.«
    »Ah, Platzynski«, begrüßte der Angesprochene ihn mit übertriebener
Freundlichkeit. »Was gibt es denn? Grüßen Sie ihren Chef von mir - und richten
Sie ihm doch bitte aus, dass ich ihn gleich am Montag wegen einer dringenden
Angelegenheit aufsuchen werde.«
    Platzynski versuchte zu lächeln. Aber auch das gehörte nicht zu
seiner Profession.
    »Zwei Ihrer Leute sind eben eingetroffen. Die Agenten Gromek und
Delius. Ich dachte, Sie wüssten das gern. Einen schönen Abend wünsche ich
noch.«
    Mit diesen Worten verschwand Platzynski und ließ Viktor Kilar mit
einem Gesichtsausdruck stehen, als wäre ihm soeben

Weitere Kostenlose Bücher