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Große Geschichten vom kleinen Volk - Band 2 (German Edition)

Große Geschichten vom kleinen Volk - Band 2 (German Edition)

Titel: Große Geschichten vom kleinen Volk - Band 2 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Frenz
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Gefährten zurück: »Es bringt nichts, wenn wir uns weiterhin trennen. Das kostet nur Zeit. Blindlings durch das Dunkel tappen, das können wir auch alle gemeinsam.«
    Also wanderten wir von da an zusammen, und Gulbert beriet sich regelmäßig mit den beiden Elfen über den Weg. Soweit ich es verstand, wollten wir abwärts gehen, weil Gulbert Leuchmadans Heiligtum im tiefsten Inneren des Berges vermutete. Aber oft standen wir in Sackgassen und mussten umkehren, und ich stellte mir schon die Frage, ob unsere Mission scheitern würde, weil uns schlicht die Vorräte ausgingen.
    Maneas wirkte zunehmend beunruhigt, und irgendwann blieb er stehen und schaute Gulbert an. Der Zauberer nickte und wischte sich den Schweiß von der Stirn. »Ich fühle es auch.«
    »Was?«, rief ich ungeduldig.
    »Der Wächter ist erwacht«, erklärte Laetas. »Er ist hinter uns.«
    Auf einen weiteren Blick von Maneas hin verteidigte sich Gulbert, als hätte der Elf ihm einen Vorwurf gemacht. »Aber das ist unmöglich! Ich habe seine Aura gespürt. Die widerstreitenden Bahnen seiner Magie hatten sich heillos verwirrt. Nur ein starker Zauber hätte ihn aus seinem Schlaf reißen können, und wir haben hier unten keine Magie angewendet und auch sonst keine zauberkräftigen Wesen in diesen Gängen gesehen.«
    Er verstummte, schloss halb die Augen und senkte den Kopf. Maneas tat es ihm gleich. Wir nahmen an, dass sie auf magische Weise die Gänge durchforschten, nach unserem Verfolger oder nach jener anderen Magie, die ihn geweckt haben mochte.
    Wir anderen blieben ebenfalls still. Ich schloss die Augen und versuchte zu erspüren, was unsere großen Begleiter so beunruhigte, aber natürlich konnte ich kaum mehr tun, als lauschen. Ich vermeinte, die Tiefe der Gänge zu hören, eine Art Echo, das gerade an der Hörschwelle zupfte. »Nein«, hörte ich Gulbert murmeln. »Da ist eine mächtige Magie unter unseren Füßen, aber das ist nur jene Verseuchung, die überall unter den Dunklen Landen zu spüren ist. Sonst gibt es nur den Wächter – und uns, aber …«
    Seine Stimme brach ab. Ich riss die Augen auf. Ich sah, wie Gulberts und Maneas’ Augen im Schein des Stabes aufblitzten, und folgte ihrem Blick. Laetas hatte sich von uns zurückgezogen, tiefer in den Gang hinein. Seine Gestalt schien mit der Dunkelheit zu verschmelzen, und wo seine Augen sein sollten, lag nur ein tiefer Schatten.
    »Das kann nicht sein«, stieß Gulbert hervor.
    »Er kam aus der falschen Richtung von seinem Kundschaftergang«, stellte Maneas fest.
    Wir kleinen Leute sahen von einem zum anderen und verstanden nichts.
    Laetas trat weiter von uns fort. Seine Gestalt verschwamm, und seine Stimme drang körperlos aus der Finsternis. »Wenn ihr mich ohnehin durchschaut habt, dann sollt ihr es ruhig wissen. Ich habe den Wächter geweckt! Ich wollte, wir wären alle gemeinsam in seine Kammer getreten. Dort hätte ich ihn wecken und Zeuge eures Untergangs sein können. Aber er wird euch auch hier finden, und er wird euch leiden lassen. Ihr werdet bekommen, was ihr verdient!«
    »Aber warum?«, rief Otli fassungslos. Keine Antwort erklang aus dem Dunkel. Laetas mochte fort sein oder sich schweigend in den undurchdringlichen Schatten verbergen … Aber, nein: Laetas war fort, und das schon lange, wie mir klar wurde!
    Maneas hatte seinen Bogen erhoben, aber er schoss nicht. »Das ist nicht Laetas«, sagte er. »Oh mein Bruder! Ich hätte es merken müssen.«
    »Wir alle hätten es merken müssen«, stellte Gulbert fest. »Er war so ungewohnt schweigsam, vor allem in den ersten Tagen. So … anders! Aber wie hätten wir ahnen können …«
    »Was?« Malangar stapfte mit dem Fuß auf. Er zielte mit dem Pfeil in die Dunkelheit.
    »Wir hatten einen Gestaltwandler unter uns. Schon seit dem Dornenwald, und er war gut. Er muss Laetas auf seinem Kundschaftergang überwältigt haben. Warum er getan hat, was er getan hat, warum er nicht schon früher … Ich weiß es nicht. Was fangen wir nun an?«
    »Ihr geht weiter«, sagte Maneas. »Ich kümmere mich um Laetas … um den Gestaltwandler.«
    »Aber …«, stammelte Gulbert.
    »Laetas war mein Bruder«, sagte Maneas. »Meine Pflicht.«
    Gulbert widersprach nicht länger. Dem Zauberer fehlte die Kraft, um auf seine Führerschaft zu bestehen.
    Aber Otli hielt den Elfen auf, als der an ihm vorüberging. »Es tut mir leid um deinen Bruder.«
    »Laetas war nicht mein Bruder«, antwortete Maneas.
    »Aber … du hast doch gerade …«, stotterte

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