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Große Geschichten vom kleinen Volk - Band 2 (German Edition)

Große Geschichten vom kleinen Volk - Band 2 (German Edition)

Titel: Große Geschichten vom kleinen Volk - Band 2 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Frenz
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›Das ist der Zeitpunkt, wo die Halblinge allein weitermüssen.‹«
    Wir kamen an einen Felsspalt, von dem aus eine Treppe tiefer in den Berg hineinführte. Gulberts Stab glänzte immer noch und diente uns als Lampe, und weil der Nebel über uns zurückblieb, als wir hinabstiegen, wurde es bald heller um uns herum. Fast hätte ich aufgeatmet.
    Dann endete die Treppe vor einem langen breiten Gang, der glatt und eben wirkte. Zur Rechten gab es einen Abzweig, der deutlich nach unten führte. Gulbert stand an der Einmündung und schloss die Augen.
    »Es ist dort«, murmelte Laetas.
    »Ja«, sagte Gulbert. »Von rechts kommt diese Magie. Ohne Zweifel ein magischer Wächter. Aber Leuchmadan hat sich selbst übertroffen – oder sollte ich sagen, er hat sich selbst übertölpelt? Die Kreatur schläft, und wenn ich ihre Aura richtig deute, ist sie so aufgeblasen mit Magie, so entrückt von dieser Welt, dass nur ein kraftvoller Zauber sie wieder aufwecken wird.«
    »Sie schläft?«, sagte Maneas. »Dann müssen wir diese Ausgeburt unreiner Magie jetzt vernichten.«
    Gulbert zögerte. »Das ist nicht nötig«, sagte er. »Sie stellt schlafend keine Gefahr für uns dar, und der Weg, den wir gehen müssen, führt geradeaus.«
    »Was?«, fragte Maneas ungläubig.
    »Wir können diesen Feind nicht in unserem Rücken lassen.« Laetas trat einen halben Schritt in den Seitengang hinein. »Wir müssen in die Kammer des Wächters, jetzt, wo er schläft.«
    »Ich habe auf euren Rat gehört, als es um die Nachtalben ging«, sagte Gulbert. »Aber hier ist kein Kampf nötig, und wir werden nicht sinnlos töten.«
    »Ihr habt ein Dutzend Nachtalben erschlagen, und jetzt macht Ihr Euch Gedanken um eine bloße Kreatur der Magie?« Nun war es Laetas, der ungläubig klang.
    »Es lebt«, stellte Gulbert fest, »und sollte den Elfen nicht alles Leben heilig sein?«
    »Nein«, erwiderte Maneas. »Nicht das unreine Leben. Nicht Leuchmadans Magie.«
    »Wer weiß, was für ein Geschöpf es vorher war, bevor Leuchmadan es veränderte«, sagte Gulbert. »Wenn der Krieg vorüber ist, können wir es womöglich heilen … reinigen. Es liegt eine einzigartige Magie in diesem Wesen. Wir könnten viel daraus lernen, wenn wir die Kreatur nicht zerstören, bevor wir sie verstehen. Wie auch immer. Meine Entscheidung steht fest. Wir gehen weiter und werden hier keine Spur der Gewalt hinterlassen. Wir sind fast am Ziel.«
    Laetas und Maneas sahen einander an, nur flüchtig. Dann fügten sie sich Gulberts Befehl. Wir schritten also tiefer in den Berg hinein und ließen die schlafende Bestie hinter uns.
    Wir waren in Leuchmadans Hort und unserem Ziel ganz nahe, aber so einfach wurde es dann doch nicht, es zu erreichen. Die Gänge im Berg bildeten ein Labyrinth, ein Haarknäuel von Wegen, verworrener als der Bart eines Zwergs. Es gab schmale Gänge und breite, solche mit behauenen Wänden und solche, die eher an Höhlen erinnerten; es gab Kammern, Räume und Hallen, Treppen, Rampen, Schächte – doch bei aller Abwechslung sah doch jeder Weg in gewisser Weise gleich aus, derselbe schwarze Stein, dieselbe Dunkelheit und eine so verwirrende Menge von Korridoren, dass die Abfolge von Gängen und Kammern sich ständig zu wiederholen schien. Es gab kein Licht, keine Gestirne, nicht einmal ziehende Wolken, die uns Orientierung geboten hätten.
    Wir teilten uns wieder in der bewährten Weise auf. Einer der Elfen ging als Kundschafter voran, der andere blieb an unserer Seite. So hatten Laetas und Maneas uns durch all die unüberschaubaren Regionen der Dunklen Lande geführt, aber hier versagten ihre Künste. Elfen sind keine Geschöpfe der Unterwelt, und in den Höhlen schienen sie ihren Sinn für Raum verloren zu haben und irrten ohne Orientierung umher. Der Elf, der voranging, erprobte wahllos die Gänge. Der Elf, der zurückblieb, saß bei uns und passte auf. Die halbe Zeit konnten wir nur warten und rasten, weil unser Kundschafter uns nicht mehr gefunden hätte, wären wir weitergegangen.
    Wir vom kleinen Volk hätten uns darüber freuen und die gemächliche Gangart genießen können. Aber die Höhlen waren stickig und die Dunkelheit dicht. Der Schein von Gulberts Stab reichte nur ein paar Schritte weit, und hinter diesem Lichtkreis mochte alles lauern. Wir wagten kaum zu reden, und den Großen erging es genauso, ihrem Schweigen nach zu urteilen.
    Erst ging Maneas auf Erkundung, dann Laetas und dann wieder Maneas. Als der blonde Elf zurückkehrte, hielt Gulbert dessen

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