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Große Geschichten vom kleinen Volk - Band 2 (German Edition)

Große Geschichten vom kleinen Volk - Band 2 (German Edition)

Titel: Große Geschichten vom kleinen Volk - Band 2 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Frenz
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findet, ist unsere Spur längst kalt.«
    Maneas stand abseits und lauschte wachsam den Pfad entlang, während Laetas mit dem Zauberer debattierte. »Da ist jemand hinter uns«, verkündete er.
    »Was?« Wir alle wandten uns dem wortkargen Elfen zu.
    »Was meinst du, Bruder?«, fragte Laetas.
    »Jemand oder etwas folgt uns«, erklärte Maneas. »Ich spüre es schon seit Tagen. Wir haben einen sicheren Vorsprung … aber nur, wenn wir nicht umkehren.«
    »Wer verfolgt uns?«, fragte Gulbert mit Zweifel in der Stimme.
    »Ich habe nichts davon bemerkt«, wandte Laetas ein.
    »Mein Gespür ist feiner«, stellte Maneas nüchtern fest. »Aber selbst ich müsste näher an den Verfolger heran, um mehr über ihn herauszufinden.«
    »Und das kommt nicht in Frage!« Laetas wandte sich wieder an Gulbert. »Gefahr lauert hinter uns, und Gefahr lauert vor uns. Wenn uns jemand folgt, so weiß er bereits von unserer Gegenwart. Schnelligkeit ist nun unsere beste Hoffnung, und ich kämpfe lieber gegen den Feind, den ich kenne.«
    »Ich weiß nicht …«, murmelte Gulbert. Unsicher schaute er den Pfad zurück, als könne der unbekannte Verfolger dort jederzeit aus dem nächsten Gehölz brechen.
    »Wenn wir jetzt umkehren«, sagte ich, »dann lassen wir einen Feind hier zurück und laufen einem weiteren entgegen. Ich bin kein Krieger, aber selbst ich weiß, dass es nicht gut ist, wenn man sich in die Zange nehmen lässt.«
    »Hm …« Gulbert sah Laetas geradeheraus an. »Laetas, wenn ich euch Elfen in dieser Sache nur vertrauen könnte! Ich weiß wohl, zwischen euch und den Nachtalben gibt es einen uralten Zwist, der euch trennt und vereint zugleich, ein Zwist, der tiefer reicht als die gegenwärtige Auseinandersetzung um Land und Herrschaft. Ich will nicht versuchen, die Gründe zu verstehen. Ich frage euch nur eines: Wenn ihr diese Nachtalben angreifen wollt, dient ihr damit einzig unserer Sache, ist es wirklich das, was ihr als unsere Führer und Kundschafter für das Beste haltet? Oder lasst ihr euch mitreißen von eurem Hass?«
    Laetas schwieg.
    »Es ist der einzige Weg«, sagte Maneas. »Es gibt immer nur einen geraden Pfad für das, was gut und richtig ist. Alles andere ist menschliche Illusion.«
    Laetas nickte dankbar.
    Gulbert seufzte. »Dann sei es so. Wir werden tun, was ihr vorschlagt. Was hätte es für einen Sinn, zwei Kundschafter mitzunehmen, wenn man ihnen nicht folgt?«
    Diesmal ging Maneas voran, um das Gelände zu erkunden. Laetas führte uns langsamer hinterher. Otli und Malangar machten ihre Bögen bereit. Ich sah, wie ihre Hände zitterten. Sie waren Jäger, keine Krieger.
    Genau genommen war das keiner von uns. Die beiden Elfenspäher trugen lange Dolche zu ihren Bögen, aber das schien eine unzureichende Bewaffnung zu sein, verglichen mit den Lanzen und Schwertern und Äxten, mit den Brünnen und Kettenhemden und Schilden, die wir in Lukars Heerlager gesehen hatten. Wie sollten wir sechs einen Hort voller Nachtalben stürmen?
    Vor einer Wegbiegung gebot Laetas uns Ruhe. Wir schlichen weiter und drängten uns eng aneinander, wir kleinen Leute, und hinter der Biegung, aus der Deckung der Dornenranken heraus, in die wir so tief eintauchten, wie wir es nur wagten, sahen wir eine Lichtung. Ein Turm ragte dort in den freien Himmel auf, so hoch wie zwölf Wichtel. Er war schmutzig weiß und geformt wie ein Kegel mit abgerundeter Spitze, wie ein hoher Hut ohne Krempe. Das Licht der Abendsonne floss blutrot an seiner Flanke herab. Zwei schmale Fenster an der Spitze glühten in demselben dumpfen Ton, wie dämonische Augen, und es ließ sich nicht unterscheiden, ob Lampen dahinter brannten oder ob wir nur den Widerschein der tief stehenden Sonne auf irgendwelchen Flächen im Inneren sahen.
    Das Dornengeranke umschloss die Lichtung wie eine Mauer, der Pfad führte auf sie zu wie ein Tunnel. Auf der anderen Seite des Turms war eine größere Rodung zu erahnen, eine Wiese, einzeln stehende Bäume …
    Maneas trat aus dem Dickicht neben uns. Die Pflanzen teilten sich knisternd und widerwillig. Ich hätte mir gewünscht, die Elfen hätten uns alle durch magische Breschen um die Nachtalben herumgeführt, wie sie es bei den schmaleren Hecken getan hatten. Aber hier im Dornenwald reichten ihre Kräfte gerade noch dafür, kleine Lücken und Verstecke zu erschaffen. Womöglich wäre es besser gewesen, man hätte uns Elfen mit mehr Magie und weniger Kampfesmut an die Seite gestellt.
    Laetas und Maneas traten dicht voreinander und

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