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Große Geschichten vom kleinen Volk - Band 2 (German Edition)

Große Geschichten vom kleinen Volk - Band 2 (German Edition)

Titel: Große Geschichten vom kleinen Volk - Band 2 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Frenz
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Einen Augenblick verharrte er bei dem glosenden Albenturm, als müsse er an dem Feuer seine alten Knochen wärmen.
    Die Geschöpfe vor uns waren hochgewachsen und in Lumpen gekleidet. Ihre aschgraue Haut klebte so eng an den Knochen, als wäre gar kein Fleisch mehr dazwischen. Sie kümmerten sich überhaupt nicht um uns, sondern schlurften zwischen den fruchttragenden Bäumen und Hecken umher und bearbeiteten kleine Felder. Wir näherten uns und sahen, dass die Augenlider und die Münder dieser ausgemergelten Kreaturen zugenäht waren. In den Nasenlöchern und den Ohren saßen Stopfen, die mit Pech abgedichtet und gleichfalls mit durch die Haut gezogenen Kordeln fixiert waren. An manchen Stellen war die Haut der Geschöpfe schwarz angelaufen, und oft glänzte es dort feucht von aufgetragenen Salben und Tinkturen. Es waren die untoten Sklaven der Nachtalben, und allesamt waren sie Menschen gewesen, wie es aussah.
    Maneas trat dem ersten die Beine weg. Er kniete sich auf den Rücken des Untoten und stieß ihm den Dolch in den Nacken. Die Kreatur bewegte sich immer noch. Sie wehrte sich nicht, sondern schlug nur hilflos mit Armen und Beinen und sah so aus, als wollte sie ihre Sklavenarbeit noch im Liegen fortsetzen. Maneas nahm ihr das rostige Haumesser aus der Hand und schlug der Kreatur den Kopf und die Gliedmaßen ab. Laetas schloss sich ihm an, mit vor Ekel verzogenem Antlitz. »Schaut sie euch an, die schändlichen Werke der Nachtalben«, sagte er zu uns kleinen Begleitern, die wir betreten danebenstanden. »Eine Schändung der Natur, eine Schändung des Lebens selbst. Nachtalben haben vor gar nichts Respekt.«
    Die beiden Elfen zerhackten alle untoten Sklaven und warfen die immer noch zuckenden Teile in den brennenden Knochenturm. Die Leichen der Nachtalben ereilte dasselbe Schicksal.
    Dunkelheit schlich über den Baumkronen heran, auf Abstand gehalten von dem Totenfeuer in der Mitte der Lichtung. Gulbert blickte besorgt zum Himmel auf, wo hinter einem Vorhang von Rauch die ersten Sterne funkelten. Er blieb nahe beim Feuer stehen, während wir anderen schon bei dem Gestank würgten und uns bis ganz an den Rand der Lichtung zurückzogen.
    »Wir können hier nicht bleiben«, krächzte der Zauberer, und wir ließen die Lichtung hinter uns, mitsamt der schwelenden Ruine. Wir tauchten wieder ein in das finstere Labyrinth unter den Dornenranken.
    Malangar klagte schon bald, der alte Otli litt stumm. Verbissen setzte er einen Fuß vor den anderen. Am müdesten von uns allen aber wirkte Gulbert, die Magie musste ihn regelrecht ausgebrannt haben. Er tapste hinter uns drein, als wäre er selbst zum Untoten geworden, aber wenigstens hatte er lange Beine und musste nur einen Schritt tun, wo unsereins zwei brauchte.
    Allein die Elfen wirkten ungerührt von der fehlenden Nachtruhe und den Strapazen des Kampfes. Laetas und Maneas wechselten sich in gewohnter Weise ab, einer von ihnen führte die Gruppe an, während der andere den Weg erkundete. Ich war versucht, die Großen bei dem Wort zu nehmen, das sie im Kriegsrat so leichtfertig gegeben hatten. Aber zwei Elfen konnten nicht drei Wichtel tragen, sie konnten uns nur antreiben.
    In dieser Nacht gab es nur wenige, kurze Pausen, und jedes Mal fiel es uns schwerer, wieder aufzubrechen. Im Morgengrauen schlichen wir nur mehr voran, wir brauchten eine längere Rast. Aber die Elfen waren unruhig und wollten so viel Abstand wie möglich zum Ort des Massakers gewinnen. Nach nur einer halben Stunde scheuchten sie uns abermals hoch. Zur Mittagsstunde benötigten wir eine weitere und ausgiebigere Ruhepause. Doch auch jetzt legten wir uns nicht nieder, sondern marschierten allzu bald weiter, bis wir am Abend beinahe zusammenbrachen.
    Nach diesem Gewaltmarsch, so schien es mir, hätten wir weit genug fort sein sollen von dem Nachtalbenturm und so sicher, wie man tief im Land des Feindes überhaupt sein konnte. Aber der Dornenwald wollte kein Ende nehmen, und wir liefen immer noch durch das dämmrige Labyrinth mit seinen wenigen Abzweigen, das immer mehr wie eine Falle wirkte. Also starrte ich, als wir endlich zur Ruhe kamen, misstrauisch auf das finstere Unterholz. Aber ich war erschöpft und konnte dem Schlaf nicht lange entfliehen.
    Am nächsten Morgen weckte uns Laetas, noch bevor das erste spärliche Sonnenlicht durch die Rankendecke sickerte. Uns allen taten die Beine weh, nur Gulbert wirkte erfrischt von dieser einen, kurzen Nacht.
    »Wir müssen weiter«, sagte der Elf. »Noch sind

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