Große Tiere: Roman (German Edition)
ganze Minute da und wartete auf die qualvollen Schmerzen, die sich jedoch nicht einstellten. Jeder der sechsundzwanzig Knochen in Pedro Luz’ Fuß war zerbröselt worden, doch das einzige, was er spürte, war ein leichtes, dumpfes Pochen. Dreieinhalbtausend Pfund häßlichen Detroit-Stahls auf den Zehen, und keine Spur von Schmerz. Unglaublich, dachte Pedro; der absolute Sieg höchster physischer Vervollkommnung! Oder möglicherweise der Drogen.
Offenbar hatte der Fahrer den Buick bei laufendem Motor verlassen. Trotz der Steroide schaffte Pedro Luz es nicht, die Limousine von seinem Fuß zu wuchten. Unterdessen hatten die Schüsse und der Wagenlärm andere Bewohner des Wohnwagenplatzes geweckt; Hunde kläfften, Türen schlugen, Babys schrien, ein Hahn krähte. Bestimmt hatte jemand die Polizei alarmiert.
Pedro Luz betastete den blutigen Pfannkuchen, in den sein linker Fuß sich jetzt verwandelt hatte und der unter einem Goodyear-Weißwandreifen hervorlugte, und traf eine schicksalhafte Entscheidung.
Zum Teufel damit, dachte er. Solange ich keine Schmerzen spüre.
Dr. Richard Raffertys Assistent rief ihn zu Hause an und sagte, es gäbe einen Notfall, er solle lieber sofort rüberkommen. Als er in seiner Praxis eintraf, entdeckte der Doktor einen Abschleppwagen, der auf dem für Rollstuhlfahrer reservierten Parkplatz stand. Im Untersuchungszimmer lag ein kräftiger einäugiger Mann mit einem Funkkragen um den Hals auf dem stählernen Untersuchungstisch.
Dr. Rafferty fragte: »Soll das ein Witz sein?«
Das Paar, das den verletzten Mann gebracht hatte, sagte, er sei von mindestens zwei Pistolenschüssen getroffen worden.
»Dann hat er ein großes Problem«, sagte Dr. Rafferty, »denn ich bin Tierarzt.«
Das Paar schien das längst zu wissen. »Er will zu keinem richtigen Arzt«, erklärte Joe Winder.
Carrie Lanier fügte hinzu: »Wir haben ihn zu einem Krankenhaus gebracht, aber er weigerte sich, aus dem Wagen zu steigen.«
Dr. Raffertys Assistent nahm ihn beiseite. »Ich glaube, die haben auch eine Pistole«, flüsterte er.
Skink schlug sein heiles Auge auf und wandte sich an den Tierarzt. »Richard, erinnern Sie sich noch an mich?«
»Ich weiß nicht.«
»Denken Sie an die Nacht, als der Panther von dem Schnapstransporter überfahren wurde.«
Dr. Rafferty beugte sich vor und studierte das Gesicht. »Mein Gott, ja«, sagte er. »Jetzt erinnere ich mich.« Es war derselbe Bursche, der mit einer hundert Pfund schweren Wildkatze auf bloßen Armen in seine Praxis gestürmt war. Der Arzt konnte sich entsinnen, daß der sterbende Panther blutige Furchen in den Hals und die Schultern des Mannes gekratzt hatte.
Skink sagte: »Sie haben hervorragende Arbeit geleistet, obwohl wir das Tier verloren haben.«
»Wir haben uns alle Mühe gegeben.«
»Wie wäre es mit einem weiteren Versuch?«
»Sehen Sie, ich behandle keine Menschen.«
»Ich verrat’s niemandem«, sagte Skink.
»Bitte«, ergriff Joe Winder jetzt das Wort, »Sie sind der einzige, dem er vertraut.«
Skinks Brust hob und senkte sich, und ein Stöhnen drang aus seinem Mund.
»Er hat ziemlich viel Blut verloren«, sagte Carrie.
Dr. Rafferty schlüpfte aus seinem Jackett und befahl dem Assistenten, einige chirurgische Instrumente bereitzulegen. »Ach, Blut haben wir genug«, sagte der Arzt, »aber das hilft Ihnen wenig, wenn Sie nicht gerade ein Schnauzer sind.«
»Wie Sie meinen«, murmelte Skink an der Grenze der Bewußtlosigkeit. »Wenn Sie mich nicht mehr hinkriegen, dann schläfern Sie mich ein, wie Sie es mit einem alten Hund tun würden.«
26
Charles Chelsea entschied, daß Francis X. Kingsbury durchaus passabel gekleidet war.
Kingsbury trug eine graue Seidenkrawatte und ein langärmeliges Hemd, um die gräßliche Mickey-Mouse-Tätowierung zu verbergen. Der Grund für diese modische Extravaganz war eine Einladung, beim Bankett der Tri-County-Handelskammer eine Rede zu halten; Kingsbury beabsichtigte, diese Gelegenheit zu nutzen und gleichzeitig ein Modell des Falcon Trace Golf and Country Club Resort Centers zu enthüllen.
Ungeduldig zeigte er auf Charles Chelseas Bauch und sagte: »Und? Die verfluchte Schlangen-Kiste – erzählen Sie!«
»Das Schlimmste ist überstanden«, sagte Chelsea mit aufrichtiger Zuversicht. Er hatte Joe Winders Mokassin-Attacke mit einer Pressemeldung gekontert, die besagte, daß die meisten Schlangen sich als harmlose, in Gemeinschaften lebende Wasserschlangen entpuppt hätten, die nur so aussähen wie
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