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Große Tiere: Roman (German Edition)

Große Tiere: Roman (German Edition)

Titel: Große Tiere: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hiaasen
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Matisse und den Toaster. Einer von Ninas rosafarbenen Büstenhaltern, den sie vergessen hatte, war mit Zigarettenbrandflecken entweiht worden und hing über einer Tiffanylampe. Außerdem waren das Süßwasseraquarium zerschmettert und die beiden siamesischen Kampffische getötet worden. Joe Winder kam es so vor, als seien ihnen die Köpfe abgeknipst worden.
    Der Stereotuner und das Tapedeck hatten die Zerstörung überstanden, der Plattenspieler allerdings war zu Bruch gegangen. Eine Heckenschere ragte aus einer der Lautsprecherboxen heraus; die andere war, zum Glück, unversehrt.
    »Das ist besser als gar nichts«, sagte Joe Winder, als er zum Wohnwagen zurückkam. »Low Fidelity ist immer noch besser als no Fidelity.«
    Während er die Komponenten aufbaute, inspizierte Carrie Lanier die Kassetten. Ab und zu lächelte sie oder machte amüsiert »Hmmm«.
    Schließlich sah Winder von dem Bündel farbiger Drähte hoch und fragte: »Mögen Sie meine Musik nicht?«
    »Aber im Gegenteil«, sagte sie. »Ich erfahre eine Menge über Sie. Da sind die Kinks. Seeger live in der Cobo Hall. Mick und seine Jungs.«
    »Ich lebe in der Vergangenheit, ich weiß schon.«
    »Ach, Kokolores.« Sie fing an, die Bänder alphabetisch in einem Regal aus rohen Holzbrettern und Ziegelsteinen aufzustapeln.
    »Haben Sie eine Schreibmaschine?« fragte Joe Winder.
    »Im Wandschrank«, antwortete Carrie. »Fangen Sie wieder an zu schreiben?«
    »Schreiben würde ich es nicht gerade nennen.«
    Sie holte die Schreibmaschine hervor, eine alte mechanische Olivetti, und machte auf dem Eßtisch Platz dafür. »Das ist eine gute Idee«, sagte sie zu Joe Winder. »Sie werden sich viel besser fühlen. Keine Schießübungen auf schwere Maschinen mehr.«
    Er machte sie darauf aufmerksam, daß er auf die Planierraupen nicht abgedrückt hatte. Dann sagte er: »Ich habe mit der Schreiberei schon vor langer Zeit aufgehört. Ich bin sowieso kein Journalist mehr.«
    »Aber Sie sind nicht ausgebrannt, Sie sind freiwillig ausgestiegen.«
    »Danke«, sagte Winder, »für den Tip.«
    Es war seine Schuld, daß er angefangen hatte, in seiner Erinnerung zu wühlen. Zwei Tage vorher hatte Carrie ihn über das Zeitungsgeschäft ausgefragt, hatte wissen wollen, welche Stories er geschrieben hatte. Also hatte er ihr von denen erzählt, an die er sich erinnern konnte. Von dem Mordprozeß gegen einen dreizehn Jahre alten Jungen, der seine kleine Schwester erschossen hatte, weil sie sich seine Aerosmith-Schallplatte ausgeborgt hatte, ohne ihn um Erlaubnis zu fragen. Von dem Marihuana-Schmuggelring, der von einem flüchtigen ehemaligen Richter des Obersten Gerichtshofs von Florida geleitet wurde. Von dem Bestechungsskandal, bei dem leicht beschränkte Bauinspektoren in Dade County dabei erwischt wurden, daß sie Lotterielose als Bezahlung verlangten. Von dem Bau eines 47 Millionen Dollar teuren Highwayabschnitts durch einen Mafia-Unternehmer, dessen hochwertige Asphaltmischung auch menschliche Körperteile enthielt.
    Joe Winder erwähnte jedoch nicht die Geschichte, die seine Karriere beendet hatte. Er redete nicht über seinen Vater. Als Carrie Lanier ihn fragte, warum er die Zeitung verlassen habe und in die Public Relations gegangen sei, sagte er einfach: »Wegen des Geldes.« Sie schien nur flüchtig an seiner kurzen Zeit als Presseheini in Disney World interessiert, war jedoch beeindruckt von dem unbekümmerten Sexualverhalten, das seinen Rausschmiß zur Folge hatte. Sie sagte, es sei ein gutes Zeichen, daß er noch nicht ganz zu einer Konzerndrohne geworden war, daß nämlich in seiner Seele noch der revolutionäre Funke glühte.
    »In meiner Hose vielleicht«, sagte Winder, »aber nicht in meiner Seele.«
    Carrie wiederholte, was sie ihm am ersten Abend gesagt hatte. »Sie könnten jederzeit wieder als Reporter anfangen.«
    »Nein, ich fürchte, das geht nicht mehr.«
    »Was wollen Sie denn eigentlich tippen – Liebesbriefe? Vielleicht ein Geständnis?« Sie betätigte mit einem schelmischen Lächeln spielerisch die Tasten der Olivetti.
    Der Wohnwagen wurde immer kleiner und enger. Joe Winder spürte schon, wie die Hitze an seinen Trommelfellen leckte. Er sagte: »Es gibt sicher einen Grund, weshalb Sie die Pistole versteckt haben.«
    »Weil sie nicht Ihr Stil ist.« Carrie ließ den Schlitten der Olivetti bis zum Anschlag durchlaufen und brachte sie so zum Klingeln. »Gott hat Ihnen das Talent verliehen, sich ausdrücken zu können, eine besondere Begabung, mit Worten

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