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Große Tiere: Roman (German Edition)

Große Tiere: Roman (German Edition)

Titel: Große Tiere: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hiaasen
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über sie gebracht hatte, zusammen mit einem Foto von Miss Fury, wie sie auf der leicht triefäugigen Raubkatze reitet. Der Reporter hatte ausdrücklich darauf hingewiesen, daß es sich bei dem lahmen Tier nicht um einen Floridapanther handele, da echte Panther so gut wie ausgestorben seien. Betrachtete man die äußere Erscheinung von Prinzessin Goldene Sonne, dann war es zweifelhaft, ob überhaupt ein Leser auf dem Bild die Löwin bemerkte. Miss Furys Pose-Kopf nach hinten geworfen, die Augen geschlossen, die Zunge zwischen den Zähnen sichtbar-war ausreichend anzüglich, um empörte Proteste einer Fundamentalistenkirche in Big Pine Key sowie der gesamten Seminolennation, oder was davon noch übrig war, zu provozieren. Beim ersten Anzeichen aufkeimenden Ärgers kaufte Charles Chelsea der Zeitung die Negative ab und ließ aus dem aufreizendsten Bild eine Andenkenpostkarte produzieren, die für $ 1,95 an allen Souvenirbuden im Wunderland der Abenteuer zu kaufen war. Wenn es nach Chelsea ging, dann war ein neuer Star geboren worden.
    Am Abend des 25. Juli jedoch endete Annette Furys Gastspiel als Prinzessin Goldene Sonne abrupt mit einem Skandal, der sogar Chelseas Begabung für kosmetische Gegenpublicity überstieg. Kurz vor dem Umzug hatte die Tänzerin die wahrscheinlich letzten drei Quaaludetabletten in den gesamten Vereinigten Staaten geschluckt. Sie hatte die etwas verstaubten Pillen aus den Schmutzwinkeln im Innenfutter ihrer Handtasche herausgeklaubt und sie mit einer lauwarmen Flasche Squirtlimonade hinuntergespült. Die Wirkung hatte eingesetzt, als der Festwagen gerade durch die weite Hufeisenkurve auf die Kingsbury Lane zurollte. Etwa in Höhe des Cimarron Saloons war Annette Fury unten ohne, nachdem sie ihr Hirschlederkostüm einem pensionierten Postbeamten geschenkt hatte, der mit Frau und Familie den weiten Weg von Providence, Long Island, heruntergekommen war. Als der Wagen den Wet Willy erreichte, hatte sich die Indianereskorte der Prinzessin Goldene Sonne um neun ausgelassene Studenten der Florida State vermehrt, die die benommene junge Dame abwechselnd auf ihren Nasen sitzend balancieren ließen, zumindest dürfte es für die Kinder im Publikum so ausgesehen haben. Anschließend drohten mehrere Elternpaare dem Vergnügungspark mit Anzeigen wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses. Sie wurden besänftigt durch ein von Francis X. Kingsbury unterzeichnetes Entschuldigungsschreiben und durch lebenslang gültige Eintrittskarten für das Wunderland der Abenteuer. Innerlich widerstrebend wies Charles Chelsea den Talentmanager an, Annette Fury mitzuteilen, daß ihre Dienste nicht länger benötigt würden. Am darauffolgenden Tag erfuhr Carrie Lanier, daß die Rolle der Prinzessin Goldene Sonne ihr gehöre, wenn sie wolle. Und zwar, nachdem man sich nach ihren Maßen erkundigt hatte.
    Daher leistete sie sich an diesem Abend den Luxus einer Flasche Mondavi.
    »Auf den guten alten Robbie Raccoon«, sagte Carrie und erhob ihr Glas.
    »Es gab keinen besseren«, sagte Joe Winder.
    Er legte ein Band mit den Dire Straits auf, und sie waren sich beide einig, daß es verdammt gut klang, sogar mit nur einem Lautsprecher. Auch der Wein war trinkbar.
    Carrie sagte: »Ich hab ein neues Kostüm verlangt.«
    »Etwas aus Gras und Perlenketten wäre wohl am authentischsten.«
    »Und kein Playback«, sagte sie. »Ich hab nichts dagegen, wenn die Musik vom Band kommt, aber singen tu ich selbst.«
    Eine Polizeisirene drang durch die Aluminiumhaut des Wohnwagens; Joe Winder konnte sie sogar über der Gitarrenmusik und dem tuberkulösen Stöhnen der altersschwachen Klimaanlage hören. Indem er die Vorhänge einen Spaltbreit auseinanderschob, sah er einen Streifenwagen und dann einen weiteren mit vollem Tempo auf den Wohnwagenplatz einbiegen. Staub aufwirbelnd jagten sie an der Abzweigung zu Carries Stellplatz vorbei.
    »Noch ein häuslicher Zwist«, nahm Winder an.
    »Bei uns passiert es etwa viermal pro Woche.« Carrie füllte die Weingläser erneut. »Leute, die die Liebe zu ernst nehmen.«
    »Da fällt mir was ein.« Er klappte seine Brieftasche auf, nahm zwölf Dollar heraus und legte sie auf den Korbtisch. »Ich war sehr unartig. Ich hab sie dreimal angerufen.«
    »Sie Schlappschwanz«, sagte Carrie.
    Sie ging ins Schlafzimmer und schlüpfte in ein blaßlilafarbenes Nachthemd, das bis zu ihren Knien reichte – genaugenommen bis zehn Zentimeter über den Knien. Das Haar hatte sie zu einem lockeren, blonden Pferdeschwanz

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