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Große Tiere: Roman (German Edition)

Große Tiere: Roman (German Edition)

Titel: Große Tiere: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hiaasen
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Kaliber.45 im linken vorderen Kotflügel.
    Jim Tile wußte genau, was passiert war. Er nahm von den Autofahrern kurze Aussagen auf. Sie schienen erregt über der Vorstellung, daß jemand auf sie schoß, nur weil sie Touristen waren. Jim Tile versicherte ihnen, daß derlei nicht jeden Tag vorkam. Dann rief er nach Homestead durch und forderte Abschleppwagen für die drei Mietwagen an, deren Motoren von dem Scharfschützen in den Mangroven tödlich getroffen worden waren.
    Einer der Fahrer, ein Franco-Kanadier und Vertreter einer Textilfirma, rief mit einem tragbaren Telefon den Alamo-Schalter im Miami International Airport an und schilderte die Lage. Gleich wurden drei neue Fahrzeuge losgeschickt.
    Jim Tile brauchte einige Stunden, um den Ort des Geschehens frei zu machen. Zwei Deputys aus Monroe County hielten an und halfen ihm bei der Suche nach den Patronenhülsen, bis die Moskitos sie vertrieben. Nachdem die Beamten sich aus dem Staub gemacht hatten und nachdem die Touristen in einer Karawane von Thunderbirds, Skylarks und Zephyrs ihre Fahrt nach Norden fortgesetzt hatten, stieg Jim Tile in seinen Streifenwagen und stützte sich mit beiden Fäusten auf den Hupknopf. Dann kurbelte er die Fenster hoch, schaltete die Klimaanlage auf volle Leistung und wartete darauf, daß sein trauriger alter Freund aus dem Sumpf kam.
     
    »Es tut mir leid.« Skink reichte dem Polizisten einen Stift EDTIAR-Insektenschutz.
    »Du hast mir versprochen, dich anständig zu benehmen«, sagte Jim Tile. »Jetzt hast du mich in eine heikle Lage gebracht.«
    »Ich mußte etwas Dampf ablassen«, sagte Skink. »Außerdem hab ich ja niemand verletzt.« Er nahm seine Sonnenbrille ab und spielte ungeniert mit seinem künstlichen Auge herum. »Hast du denn solche Tage nicht auch mal? Tage, an denen du am liebsten losziehen und jemand ein paar vor den Latz knallen würdest, ganz gleich, wer dir gerade über den Weg läuft?«
    Jim Tile seufzte. »Mietwagen?«
    »Warum zum Teufel denn nicht?«
    Die Spannung löste sich zu einem niedergeschlagenen Schweigen auf. Die Männer hatten schon früher ausführlich über solche Angelegenheiten gesprochen. Als Clinton Tyree noch Gouverneur von Florida war, hatte Jim Tile den Posten seines Leibwächters innegehabt – eine ungewöhnlich wichtige und ehrenvolle Aufgabe für einen farbigen Staatspolizisten. Nachdem Clinton Tyree zurückgetreten war, hatte Jim Tile augenblicklich seinen Job in der Elite-Sicherheitstruppe verloren. Der neue Gouverneur, so lautete die Begründung, fühle sich mit weißen Einheimischen wohler. Am Ende dieser schicksalhaften Woche fand Jim Tile sich auf den Straßen von Harney County wieder, wo er nachts Streife fuhr.
    Während der Jahre hatte er sich immer in Clinton Tyrees Nähe aufgehalten, teils aus Freundschaft, teils aus Bewunderung und teils aus der sicheren Erkenntnis, daß der Mann ab und zu polizeiliche Unterstützung brauchen würde, was auch zutraf. Immer wenn Skink ruhelos wurde und seine Eremitage tiefer in die Wildnis verlegte, beantragte Jim Tile stillschweigend seine Versetzung und ging mit. Das bedeutete weitere Landstraßen, weitere Nachtschichten und weitere gemein aussehende reaktionäre Quadratschädel – doch der Polizist wußte, daß sein Freund das gleiche auch für ihn getan hätte, wenn das Schicksal es anders gewollt hätte. Überdies vertraute Jim Tile auf seine Fähigkeiten und war überzeugt, daß ihm eines Tages die gesamte Highway Patrol unterstehen würde – und dann würde er selbst die eine oder andere Nachtschicht verteilen.
    Gewöhnlich hielt Skink sich verborgen, abgesehen von den gelegentlichen öffentlichen Auftritten, wenn er aus dem Wald hervorbrach, um ein frisches Opossum oder ein Eichhörnchen von der Straße zu klauben. Ab und zu jedoch brachte irgend etwas ihn in Rage, und die Folgen waren weithin sichtbar. Einmal hatte er, auf dem dicht bevölkerten Strand von Fort Lauderdale stehend, vier Kugeln in den Bauch einer landenden 727 gejagt. Bei einer anderen Gelegenheit hatte er die Wahl der Miß Florida platzen lassen und mit Tränen in den Augen ein totes Seekuh-Baby auf die Bühne gehievt, um auf die Folgen der Bauprojekte mit Seeblick aufmerksam zu machen. Bei solchen Vorfällen war es ein Glück, daß niemand diesen behaarten zyklopenhaften Irren als Clinton Tyree identifizierte; es war ein noch größeres Glück, daß Jim Tile stets zur Stelle gewesen war, um den Ex-Gouverneur ungesehen verschwinden und wieder zu dem bißchen

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