Große Tiere
Zeitungsausschnitten und drei oder vier Briefe von jemandem aus dem amerikanischen Justizministerium. Der Briefkopf war geprägt, und er sah sehr wichtig aus.
»Mein Gott«, sagte Bud Schwartz und überflog die Papiere mit einem schnellen Blick.
»Was ist denn?«
Er drückte Danny Pogue die Akte in die Hand. »Steck das in die verdammte Tasche, und dann los.«
Danny Pogue blickte auf den Aufkleber und sagte: »Und was bedeutet das?«
»Das bedeutet, daß wir reich werden, Partner.«
Danny Pogue betrachtete nachdenklich den Namen auf dem Aktenordner. »Wie spricht man das überhaupt aus?«
»Gotti«, sagte Bud Schwartz. »Irgendwie klingt das gefährlich.«
13
Um Mitternacht das Eigentum eines Toten zu durchwühlen, entsprach nicht Joe Winders Vorstellungen von einer vergnüglichen Tätigkeit. Das Labor war so kalt und still wie eine Leichenhalle. Winzige Spuren des verstorbenen Will Koocher waren überall zu sehen: ein zerknautschter Laborkittel hing hinter einer Tür; ein Hochzeitsbild in einem Messingrahmen auf seinem Schreibtisch; eine halb aufgegessene Rolle Tums mit Kirschgeschmack in der Schublade; Koochers letzter Gehaltsscheck, ausgefüllt, aber nicht mehr eingelöst.
Winder fröstelte und ging an die Arbeit. Methodisch blätterte er die Wühlmausakten durch und lernte schnell, Koochers Tagesberichte zu entziffern: Größe, Gewicht, Freßgewohnheiten, Schlafgewohnheiten, Verdauung. An einigen Tagen gab es Blutproben, an anderen Tagen wurde der Urin analysiert. Die Aufzeichnungen des Doktors waren klinisch, knapp und lieferten insgesamt keinerlei Aufschlüsse. Was immer Koocher an diesem Mangowühlmaus-Programm gestört hatte, er hatte es nicht schriftlich festgehalten.
Es dauerte eine Stunde, bis Joe Winder endlich etwas fand, woran sein Auge hängenblieb: eine Reihe von Farbfotos von den Wühlmäusen. Sie waren anders als die Hochglanzexemplare für die Pressearbeit – es waren extreme Nahaufnahmen, aufgenommen aus verschiedenen Blickwinkeln, um anatomische Charakteristika herauszustellen.
Maschinenbeschriebene Aufkleber bezeichneten die Tiere als »Männlich Eins« oder »Weiblich Eins«. Mehrere Bilder vom Weibchen waren mit einem roten Wachsstift markiert worden, vermutlich von Will Koocher. Auf einem Foto war auf dem Rumpf der Wühlmaus ein Pfeil aufgezeichnet und daneben der Kommentar: » SCHW.LGE.PRF .« Auf einem anderen Foto hatte Koocher aufgeschrieben: »PRF. MICROTUS FELLFARBE – BLONDE PHASE?« Auf einem dritten Foto war die Schnauze des Tiers vorsichtig mit einem Eisstiel aufgesperrt worden, wodurch ein ungehinderter Blick auf die beiden großen gelben Schneidezähne und auf eine winzige indigoblaue Zunge möglich war.
Offenbar hatte die weibliche Wühlmaus Koocher besonderes Kopfzerbrechen bereitet, aber warum? Winder verstaute die Fotos in seinem Aktenkoffer und nahm sich die nächste Akte vor. Sie enthielt eine verschwommene Fotokopie von einem wissenschaftlichen Aufsatz mit dem Titel: »Lebensraumverlust und Untergang von Microtus mango in Südost-Florida.« Die Autorin dieses Artikels war eine Dr. Sarah Hunt, Ph. D., vom Rollins College. Mit roter Tinte hatte Koocher einen Kreis um den Namen der Frau gemalt und daneben ein Fragezeichen gesetzt. Der Aufsatz war nur fünf Seiten lang, doch die Ränder waren übersät mit Koochers Notizen. Winder versuchte, in ihnen einen Sinn zu finden, als er hinter sich ein knarrendes Geräusch hörte.
In der Türöffnung stand Pedro Luz – aufgedunsen, mit verquollenen Augen. »Was zum Teufel tun Sie da?« fragte er.
Joe Winder erklärte, daß der Hausmeister so nett gewesen war, ihm einen Schlüssel zum Labor auszuborgen.
»Wofür?« wollte Pedro Luz wissen.
»Ich brauche einige Informationen über die Wühlmäuse.«
»Ha«, sagte Pedro Luz und betrat das Labor. Das Knarren und Quietschen rührte von den Rädern seines mobilen Steroidspenders her. Es war der IVWagen, den er aus dem Krankenhaus hatte mitgehen lassen. Ein durchsichtiger Schlauch ringelte sich von einem aufgehängten Plastiksack bis in die Beuge von Pedro Luz’ linkem Arm hinunter; die Nadel wurde mit mehreren Cellophanklebestreifen an Ort und Stelle fixiert.
Die Idee hatte er gekriegt, als er wegen des Frettchenbisses im Krankenhaus lag. Er war von dem Wunder intravenöser Ernährung derart beeindruckt, daß er beschloß, diese Technik auch bei der Einnahme anaboler Steroide anzuwenden. Ob diese Methode wirksam oder gar sicher war, das waren Fragen, über die
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