Große Tiere
Marmeladenglas«, antwortete Molly, »und im Kühlschrank müßte noch etwas Essig sein.«
»Das ist wohl ein Witz.«
»Nein, es ist wichtig, Bud. Denn das ist ein Beweisstück.«
In der Diele traf er auf Danny Pogue, der eine Teekanne auf einem Silbertablett vor sich hertrug. »Hältst du das für möglich?« fragte Bud Schwartz. Er hielt das Spitzendeckchen hoch.
»Was nun?«
»Ich soll das verdammte Ding in Essig einlegen.«
Danny Pogue verzog angewidert das Gesicht. »Weshalb?« Als er das Wohnzimmer betrat, schaukelte Molly gemütlich im Schaukelstuhl. Er schenkte ihr Tee ein und sagte: »Ich hab den Eindruck, Sie fühlen sich schon besser.«
»Besser als ich aussehe auf jeden Fall.« Sie trank vorsichtig und betrachtete Danny Pogue über den Rand ihrer Tasse hinweg. Mit sanfter Stimme sagte sie: »Du hast keine Ahnung, was mir das bedeutet, die Tatsache, daß du dageblieben bist, um mir zu helfen.«
»Das war ich nicht allein. Bud wollte es auch.«
»Er ist kein übler Bursche«, sagte Molly McNamara. »Ich glaube, tief in seinem Innern ist er ein Mensch mit Prinzipien.«
Danny Pogue hatte seinen Partner eigentlich nie als einen Menschen mit Prinzipien betrachtet, aber vielleicht hatte Molly irgend etwas an ihm entdeckt. Während Bud ein unverbesserlicher Dieb war, hielt er sich an eine Reihe strikter Regeln. Keine Waffen, keine Gewalt, keine harten Drogen – Danny Pogue nahm an, daß man das als Prinzipien bezeichnen konnte. Er hoffte, daß Molly erkannt hatte, daß auch er seine Grenzen kannte – moralische Gebote, gegen die er niemals verstieß. Später, wenn sie schlief, würde er eine Liste machen.
Er sagte: »Und was werden Sie jetzt tun? Weitermachen?«
»Um ehrlich zu sein, ich bin mir nicht sicher.« Sie stellte die Teetasse ab und betupfte ihre geschwollenen Lippen mit einer Serviette. »Ich habe einige Experten auf die Kingsbury-Akten angesetzt. Anwälte, Buchführungsspezialisten, Leute, die unser Anliegen unterstützen. Sie haben die verschiedenen Gelder und ihre Herkunft überprüft, haben hin und her gerechnet. Sie meinen, die Konstruktion sei sehr interessant, das mit den ausländischen Gesellschaften, doch es würde vermutlich Monate dauern, bis die Finanz-und die Zollbehörden alles auseinandergepflückt hätten; dann ein weiteres Jahr für den Prozeß und das Urteil. Und so viel Zeit haben wir ganz einfach nicht.«
»Scheibenkleister«, sagte Danny Pogue. Er hatte seit seiner Schulzeit nicht mehr »Scheibenkleister« gesagt. Aber er bemühte sich redlich, sich in Mollys Gegenwart etwas gewählter auszudrükken.
»Ich bin ein bißchen mutlos«, fuhr sie fort. »Ich glaube, ich hatte meine Hoffnungen zu hoch geschraubt.«
Danny Pogue fühlte sich so lausig, daß er ihr beinahe von den anderen Akten erzählt hätte, von dem Erpressungsgeschäft, das er und Bud Schwartz mit dem großen Francis X. Kingsbury durchzogen.
Er sagte: »Können wir denn nichts tun? Müssen wir zusehen, wie er weitermacht und all die schönen Schmetterlinge und Schnecken umbringt?« Molly hatte ihm einen Zeitungsausschnitt über die seltenen tropischen Schneckenarten auf Key Largo gegeben.
Sie sagte: »Ich habe ja nicht gemeint, daß wir aufgeben -«
»Wir sollten mal mit Bud reden. Ihm fällt sicher was ein.«
»Jeden Tag verlieren wir wertvolle Zeit«, sagte Molly. »Mit jedem Tag rückt der Zeitpunkt näher, wo sie mit dem Betongießen anfangen.«
Danny Pogue nickte. »Fragen wir Bud. Er hat in solchen Dingen manchmal die tollsten Ideen -«
Molly hörte auf zu schaukeln und hob eine Hand. »Ich habe was gehört, du nicht auch?«
Aus der Küche drangen die gedämpften Geräusche von kämpfenden Männern – Knurren, Keuchen, etwas Schweres prallte gegen die Wand, ein Glas zerschellte.
Danny Pogue zitterte, als er aufstand. Der verletzte Fuß ließ ihn den Gedanken an Flucht aufgeben.
»Reich mir mal die Handtasche«, sagte Molly. »Ich brauche meine Pistole.«
Aber Danny Pogue stand wie festgenagelt. Seine Augenlider flatterten, und seine Arme waren wie gelähmt. Er dachte nur eines: Jemand bringt Bud um!
»Danny, hast du nicht gehört? Hol mir die Handtasche!«
Eine orangefarbene Gestalt erschien in der Diele. Es war ein hochgewachsener Mann in einem Regenanzug und einer leicht verschimmelt wirkenden Duschhaube. Er hatte einen feuchten silbergrauen Bart und eine schwarze Sonnenbrille und etwas Rotes um den Hals. Der Mann trug Bud Schwartz ganz lässig unter einem Arm. Bud Schwartz hing
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