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Großmutters Schuhe

Großmutters Schuhe

Titel: Großmutters Schuhe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Renate Welsh
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du es sogar witzig finden, dass Alex nicht zu deinem Begräbnis gekommen ist. Das feiern wir nach, würdest du sagen.

Lisa füllte die Salatschüsselchen, während Bärbel die Soße abschmeckte. »Salatbüfett nix gut für Trauergesellschaft« , hatte Alban behauptet. »Gut für Hochzeit, wie Tanz.«
    Bärbel hatte ihm sofort recht gegeben. Die alten Herrschaften seien ohnehin müde von den langen Wegen auf dem Friedhof, die seien froh, wenn sie sich ausruhen könnten.
    Alban blickte missbilligend auf Hankas Ausschnitt, der sich wesentlich vergrößerte, als sie ein Tablett hochhob und sehr viel von ihrer samtenen Haut freigab. Bärbel wandte sich ab. »Ein Knopf, bitte schön« , sagte Alban und nahm das zweite Tablett. »Anständige polnische Mädchen nicht so – nackig vor Fremde.«
    Hanka öffnete einen weiteren Knopf, dann lachte sie und knöpfte ihre Bluse bis zum Hals zu. »Gut, Chef?«
    Alban schüttelte den Kopf, straffte sich und ging mit hoch erhobenem Kinn vor Hanka aus der Küche. Die beiden verschwanden im Extrazimmer.
    »Du verstehst das so was von falsch« , sagte Lisa. »Er hat nur Augen für dich.«
    »Jaja. Darum will er nicht, dass sie anderen ihre Brüste anbietet« , schnaubte Bärbel. »Du hältst mich für blöd, was?«
    Lisa schüttelte den Kopf, nickte. »Blöd nicht, blind schon. Du siehst nicht, was vor deinen Augen ist. Hanka ist für ihn eine kleine Schwester und er fühlt sich für ihre Tugend verantwortlich in der großen bösen Stadt.«
    »Wofür hält er sich? Für die Sittenpolizei?«

Patricia, 21
    Ja, ich bin eine Enkelin von Rieke, nein, bei Onkel Manfreds Begräbnis war ich nicht, geht auch keinen etwas an, warum ich nicht dort war, mir wird heute noch schlecht, wenn sie nur seinen Namen sagen, immer mit diesem frommen Augenaufschlag. Der gute Onkel Manfred, Großpapas älterer Bruder, der Stolz der Familie, Träger dieses und jenes Ordens, und so kinderlieb. Von mir aus sollen sie ruhig denken, ich hätte keinen Familiensinn, hab ich wahrscheinlich nicht, wozu auch, Uroma ist tot, die Familie gibt es nicht mehr, keiner wird in schwarz oder grau umrandeten Umschlägen zur Verabschiedung eingeladen, kein Drama, bloß vorbei, das versickert einfach, nicht wie im Karst, wo sich das Wasser zu unterirdischen Flüssen und Strömen sammelt. Hier fließt nichts, hier strömt nichts, das trocknet ein, weg ist es, nie da gewesen, so einfach ist das. Das zersplittert in viele kleine Familien, Mama-Papa-einskommasiebzehn Kinder, wer ist das Komma, du oder ich, ist ja auch egal, nullkommaacht Hunde, nullkommaneun Katzen, wie wollen wir eine Familie sein, so viel ich weiß, gibt es in diesem ganzen Clan weder einen Hund noch eine Katze. Zu Weihnachten kommen die Großeltern, es gibt Gans mit Knödeln und Rotkraut, die Kastanienfülle nicht zu vergessen. Es muss nur eine oder einer heiraten, promovieren oder sterben, und sie werden alle auftauchen, ordentlich frisiert und dem Anlass entsprechend gekleidet, wie es sich gehört, und alle werden die Bäuche einziehen und feststellen, wie alt die anderengeworden sind. Es soll ja Familien geben, wo eine jede und auch ein jeder alle anderen liebt, Familien, die nichts Schöneres kennen, als miteinander möglichst viel Zeit zu verbringen.
Quality time
heißt das heute. Ich weiß nicht, ob ich daran glauben soll, aber bitte, ich bin ganz offen, wenn mir jemand eine solche Familie zeigen kann, werde ich sie voll Begeisterung begrüßen. Von mir aus sogar Kuchen backen. If I knew you were coming, I’d have baked a cake. Wenn sie einander sowieso lieben, brauchen sie keine Blutsverwandtschaft. Familie ist doch nur notwendig jenseits von Mögen, von Einverständnis, von Sympathie? Familie ist immer trotzdem, nicht weil das so nette Menschen sind. Es ist, wie es ist, nicht weil es so ist. Es lebe das Trotzdem. Um Familie zu sein, braucht es eine oder einen, die alles zusammenhalten wie die Spinne im Netz. Oder wie ein Dirigent das Orchester zusammenhält? Nein, Spinne im Netz trifft es genauer. Das Netz bleibt an seinem Platz, das ist wichtig, denk ich, das Zentrum muss an seinem Platz bleiben, damit alle wissen, wohin sie zurückkehren können, sonst können sie ja gar nicht weggehen. Alte Leute sind besser geeignet, die Mitte zu halten. Vielleicht wurde unsere Uroma deshalb in den letzten Jahren so viel mehr zum Zentrum. Früher war sie eine von den ganz Unruhigen. »Genau wie du«, hat sie zu mir gesagt, »nur dass halt zu meiner Zeit eine Fahrt nach

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