Großstadt-Dschungel
Klassenraum nebeneinander gesetzt hat.
Uns verband die Liebe zu Michael Jackson und Cabbage Patch Kids, und unsere Freundschaft überstand die Traumas der High School, der Universität und Ted Abramson. Die Sache mit Ted Abramson fand kurz vor der High School statt, genau gesagt, als er nach der fünften Klasse mit mir Schluss machte und mit Wendy am Tag ihrer Bat-Mizwa zusammenkam, sie dann im Laufe des Sommers fallen ließ und schließlich in der achten Klasse wieder mit mir zusammen war.
Aber wie gesagt, unsere Freundschaft überlebte die Ted-Krise. In unserem ersten Jahr an der Uni war ich drauf und dran, Wendy umzubringen, als sie Andrew MacKenzie, ihrem Laborpartner in einem Mathekurs – ich weiß immer noch nicht, warum man für einen Mathekurs ein Labor benötigt –, sagte, dass ich Jeremy süß fände. Jeremy war uns in dem Seminar Amerikanische Literatur im 20. Jahrhundert aufgefallen, das direkt vor Wendys Mathekurs stattfand.
Je weiter Huckleberry Finn auf seinem Floß den Mississippi hinunterschipperte, desto verrückter wurde ich nach Jeremy. Natürlich trug Andrew Wendys Bemerkung seinem Freund sofort zu. Sehr peinlich.
Ich hätte ihr niemals so leichtfertig vergeben sollen.
„Es ist sowieso alles deine Schuld“, maulte ich.
„Was ist meine Schuld? Dass du keine Freunde hast? Darf ich dich daran erinnern, dass du noch an der Uni warst, als man mir einen Job in Boston anbot, und ich Nein sagte, weil ich lieber den hier an der Wall Street haben wollte?“
Wendy hatte von jeder Firma, bei der sie sich als Investment-Bankerin bewarb, ein Jobangebot erhalten. Nicht nur wegen ihres hervorragenden Notendurchschnitts, sondern auch, weil sie verschiedene Praktika gemacht, für die Schulzeitung geschrieben, einen Sommer lang in Afrika Englisch unterrichtet und halbtags in einem Computercenter gearbeitet hatte, wo sie Studenten Excel beibrachte.
Während ich den Kurs „Ort, Zeit, Völlig Egal“ belegte, in dem jeder Student über die physikalische Anziehungskraft beim ersten Date schreiben konnte und dafür von einem flippigen Dozenten eine Supernote bekam, wählte Wendy Kurse wie „Die Analyse postkolonialer Erzähltechnik“ und „Russischer Formalismus und neuer angloamerikanischer Kritizismus“. Glücklicherweise waren ihre Wahlkurse gleichzeitig meine Pflichtkurse, so dass wir viel Zeit miteinander verbringen konnten. Dazu kam noch, dass sie die schöne Angewohnheit hatte, die Notizen, die sie im Unterricht gemacht hatte, hinterher sauber abzutippen und mit anschaulichen vierfarbigen Grafiken zu versehen, was es mir ermöglichte, öfter mal zu schwänzen.
„Meine ganze Beziehung mit Jeremy ist dein Fehler. Du hast uns schließlich zusammengebracht.“
„Hör auf zu jammern. Eigentlich solltest du jetzt gar nicht so überrascht sein. Er hat doch die ganze Zeit über Mist gebaut.“
Ich hasse es, wenn sie das, was ich ihr mal ganz im Vertrauen erzählt habe, gegen mich benutzt. „Davon will ich jetzt nichts hören, okay?“
„Gut, dann ruf Natalie an. Sag ihr, du willst Männer kennen lernen. Sofort.“
Hat Wendy bei ihrer Arbeit nicht genug Leute, die sie kommandieren kann? „Gut, das mache ich.“
„Fein.“
„Gut.“
„Viel Glück, Süße. Meld dich bald wieder“, sagt sie und knallt den Hörer auf.
Also wähle ich Natalies Nummer. Außer während ihrer Zeit an der Uni hat meine brahmanische Freundin immer zu Hause bei ihren Eltern in Boston gelebt. Sie verbringt ihre Zeit in Boutiquen und Nagelstudios, beim Friseur, bei Wohltätigkeitsveranstaltungen und damit, sich einen Ehemann zu suchen.
Es klingelt ein Mal, es klingelt zwei Mal. Ich weiß, dass sie jetzt auf ihrem Display überprüft, wer sie anruft.
„Hi!“ ruft sie mit ihrer hohen Stimme, die immer so klingt, als hätte sie gerade Helium eingeatmet, ins Telefon. „Wie geht’s?“
„Wir gehen heute Abend zusammen aus, damit ich mit allen flirten kann. Wo gehen wir hin?“
„Es tut mir Leid, aber ich kann das Haus heute unmöglich verlassen. Ich bin zu fett.“
Natalie wiegt ungefähr 45 Kilo, und ich reagiere auf so eine lächerliche Bemerkung bestenfalls verständnislos, im Moment aber ungeduldig.
„Wie soll ich Typen treffen, wenn ich keinen Schritt vor die Tür setze?“
„Warum willst du denn plötzlich jemanden kennen lernen? Was ist denn mit Jer?“
„Darüber möchte ich jetzt nicht sprechen. Es ist vorbei. Ich muss andere Männer kennen lernen.“
„Also …“
„Bitte?
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