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Großstadt-Dschungel

Großstadt-Dschungel

Titel: Großstadt-Dschungel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Mlynowski
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verlief.
    Woche zwei, Montag
    9:08 Uhr
    Von: Jacquelyn Norris < [email protected] >
    An: [email protected]
    Betreff: Wo bist du?
    Ich muss dir von meinem Date erzählen! (Beachte bitte das Ausrufungszeichen.) Warum hast du mich das ganze Wochenende nicht angerufen? Ich habe mindestens vierhundert Nachrichten auf deinem Handy, im Büro, zu Hause und auf dem Beeper hinterlassen.
    Tim hat mir rote Tulpen mitgebracht. Ist das nicht süß? Sie waren
so
schön. Drei Punkte. Sagen wir zwei. Als er mit hinter dem Rücken verschränkten Armen in der Tür stand, konnte ich die grünen Stengel sehen, und ich dachte, es wären Rosen. Nicht dass ich enttäuscht war, dass er Tulpen gekauft hat – das wäre lächerlich, da ich schließlich gar nichts erwartet habe –, aber welche Frau freut sich nicht über Rosen?
    Dieses Mal kam er hoch in die Wohnung, um, wie ich vermute, den Strauß Nichtrosen loszuwerden. Nicht dass ich eine Vase gehabt hätte. Aber verteilt auf fünf leere Weinflaschen habe ich eine wunderbare Lösung gefunden.
    So gesehen verdient er doch nur einen Punkt. Warum hat er keine Vase mitgebracht?
    Sam fand ihn auch süß. Das hat sie natürlich nicht vor ihm gesagt, obwohl, wenn man sich überlegt, wie Sam im Moment drauf ist, hätte es mich auch nicht gewundert.
    Er ist mit mir zum Starlight Bowling Center gefahren. Kannst du dir das vorstellen? Das ist im Grunde ein ganz normales Bowlingcenter, nur dass die Bahnen nachts von den gleichen Sternen beleuchtet sind, die auch unter der Decke im Zimmer meiner Schwester hängen. Ich war übrigens noch nie mit einem Date beim Bowlen. Versteh mich nicht falsch. Mir macht das schon Spaß, ein bisschen jedenfalls. Es ist nur, dass ich über die Sache mit den Schuhen nie besonders glücklich bin. Sam wäre ausgerastet. Ich sehe ihre Gedanken wie Sprechblasen in einem Comic klar vor mir:
    „Ich soll Schuhe anziehen, die vor mir hundert andere Leute getragen haben? Siehst du nicht die Ansteckungsgefahr? Guckst du nie die Sendungen im Fernsehen?“
    Ich will nicht unfair werden. Sie ist seit der Trennung deutlich weniger neurotisch. Neulich, ich habe Hühnersuppe gekocht, hat sie mich doch tatsächlich gefragt, ob sie mal probieren darf, direkt aus dem Topf. Unerschrocken hat sie die womöglich kontaminierte Flüssigkeit runtergeschluckt. Nur dass sie natürlich ihren eigenen Löffel benutzt hat.
    Tim und ich haben jedenfalls unsere nicht besonders passenden Bowlingschuhe übergezogen – meine waren zu groß, seine zu klein – und unsere Plätze an der Bahn eingenommen. In dem Licht strahlten seine Zähne wie kleine Halogenlampen. Ich bin froh, dass ich meine graphitfarbenen Hosen und ein schwarzes Sweatshirt anhatte, hoffe nur, dass ich keine Schuppen habe, denn die Frau neben uns hatte welche, und alle Bowlingbesucher konnten sie sehen.
    Mit meinem ersten Wurf habe ich zwei Pins umgehauen. Mit dem zweiten noch einen mehr. Das ist doch schon ganz gut, richtig?
    Falsch. Gut war allein, dass ich ihm schon vorher gesagt hatte, ich wäre nicht besonders sportlich.
    Tim schaffte einen Strike, also mit dem ersten Wurf alle zehn Pins. Was sagt ein guter Bowlingstoß über die sexuellen Fähigkeiten eines Mannes aus?
    Ein paar Runden später gelang mir unerwartet auch ein Strike. Yeah! Ich vollführte einen Freudentanz – weißt du, so ein Tanz, bei dem ich die hüpfenden Bewegungen des Männchens auf dem Monitor über der Bahn nachahmte. In gewisser Weise war mein spontanes Tänzchen ein Test. Wenn ich so abgedreht bin, wie ich sein möchte, wird Tim mich dann immer noch mögen?
    Offensichtlich schon, denn er
lachte
(mit mir, nicht über mich, wichtiger Unterschied), als ich ihm erklärte, was ich da tat. Und als er einen Spare geschafft und mit dem zweiten Wurf alle Pins umgehauen hat, versuchte er sich peinlicherweise selbst an einem Tanz. Ich muss zugeben, dass seiner viel schwerer war als meiner, weil sein Männchen auf dem Monitor nur auf einem Bein kreiselte.
    Dann hat er mir angeboten, mir zu zeigen, wie man nur mit einer Hand wirft, hat aber betont, dass ich durchaus auch besonders süß aussähe, wenn ich meine beidhändigen Würfe machte.
    Ich sagte: „Lehre es mich, Herr Lehrer.“ War das nicht ein guter Satz?
    Er hielt meinen Arm und half mir bei der Drehung, genau wie in diesen kitschigen Fernsehsendungen! War das nicht süß? Jeremy hätte so was niemals gemacht. Wir sind ja noch nicht mal groß ausgegangen. Zum Essen, ja, aber nicht zum

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