Großstadtvampire (German Edition)
jetzigen alternativen Kunst- und Kulturzentrums Tacheles als eine der ersten Kneipen in der bald angesagten Oranienburger Straße eröffnet hatte. Aber trotzdem, so ausgestorben wie heute war es freitagabends eigentlich nie.
Missmutig betrachte er ein einsames Pärchen an der Bar, bisher die einzigen Gäste des Abends. Seine drei Bedienungen standen gelangweilt in einer Ecke rum und unterhielten sich. Er wandte sich wieder der Zeitung zu, die vor ihm auf den Tresen lag.
"DER VAMPIRMÖRDER SCHLÄGT WIEDER ZU! - SIND UNSERE FRAUEN NOCH SICHER?", schrie ihm die Schlagzeile entgegen. Genau solche Schlagzeilen waren die Ursache für seine leere Kneipe, dachte Arno, als er die Zeilen überflog. Wieder eine junge Frau. Alleine im Park, keine Zeugen und kein Blut im Körper. Ihn nervte die ganze Hysterie um den vermeintlichen Vampirmörder. Das hatte ihm gerade noch gefehlt. Ausgerechnet jetzt, wo alles geordnet und unter Kontrolle geschienen hatte. Er erinnerte sich noch, als die erste blutleere Leiche vor ungefähr 6 Monaten entdeckt worden war. Damals hatte sich niemand darum geschert und alle hatten es als Kuriosum abgetan. Aber er hatte seine Hausaufgaben gemacht und alles kontrolliert, um sicher zu gehen und dabei gehofft, dass es sich um einen Einzelfall handelte. Aber dann hatten sich die Mordfälle gehäuft und die Boulevardpresse hatte sich sehr schnell darauf eingeschossen und dem Mörder einen Namen gegeben: "Der Vampirmörder".
Mittlerweile waren ihm bereits neun Frauen zum Opfer gefallen und es schien nicht so, als ob die Polizei eine wirkliche heiße Spur verfolgte. Die Leute hatten Angst und vor allem die Frauen trauten sich nachts nicht mehr auf die Straße - und damit auch nicht in die Kellerbar . Und wenn keine Frauen unterwegs waren, kamen auch die Kerle nicht und seine Bar blieb leer. Unwirsch schob er die Zeitung von sich.
"Was schreiben die denn so schlimmes?", wollte Caroline wissen. Sie hatte die Zornesröte in Arnos Gesicht mitbekommen und war von ihren Kolleginnen zu ihm rübergekommen.
"Nur Scheiße!", kam die knappe Antwort. "Bringst du mir noch ein Bier?"
"Klar", antwortete sie und schwang sich hinter die Theke, um Arno ein Bier zu zapfen.
"Von wegen Vampirmörder", echauffierte sich dieser. "Ganz normale Kriminelle sind das!"
"Was regst du dich so auf?", wunderte sich Caroline.
"Wieso ich mich aufrege? Schau dich doch um! Traut sich doch keiner mehr vor die Tür, bei dem Blödsinn, den die verzapfen. Vampire in Berlin! So ein Quatsch!!" Arno kriegte sich gar nicht mehr ein und Caroline begann sich zu fragen, ob es so eine gute Idee gewesen war, Arno auf seine Missstimmung anzusprechen.
Da öffnete sich die Tür. "Ahoi, alle miteinander." Es war Johannes, der mit seinem Rucksack in die Kellerbar eintrat.
Arno blickte über die Schulter, um den neuen Gast zu begrüßen. "Wenigstens auf dich ist Verlass", brummte er. Johannes beachtete ihn nicht weiter, sondern freute sich Caroline zu sehen.
"Hey, schon sechs Wochen hier und noch immer nicht gefeuert?"
"Nö. Mittlerweile lieben wir uns" Caroline setzte das Bier vor Arno ab. Arno war bekannt dafür, eine ziemliche Rotation in seinem Personal zu haben und seine Launen waren sicherlich der Grund dafür.
"Was hat er denn?", wollte Johannes wissen, ohne dabei direkt auf Arno einzugehen.
"Der Vampirmörder setzt ihm zu", antwortete Caroline gleichgültig.
"Schon wieder? Du glaubst doch diesen Mist nicht, oder?", fragte Johannes und deutete auf die Zeitung.
"Ich glaub das natürlich nicht. Aber die Leute da draußen!", regte sich Arno weiter auf.
"Aber doch nicht jeder", beschwichtigte Johannes, "und jetzt lass uns das Thema wechseln. Der Vampirmörder geht mir auch auf die Nerven. Die Leute können anscheinend über gar nichts Anderes mehr reden."
"Man sollte die Zeitungen verklagen!", schnaubte Arno hinterher.
"Er muss aber auch immer das letzte Wort haben", zwinkerte Caroline Johannes zu und stellte ihm ebenfalls ein Bier hin.
Caroline fand Johannes toll, obwohl sie tunlichst vermied, ihm das zu zeigen. Das war aus Selbstschutz und passierte automatisch. Es war wichtig, eine gewisse Distanz zu den Gästen zu wahren. Wenn man als Frau in einer Bar arbeitete, war die Gefahr groß, als Beute missverstanden zu werden. Caroline schützte sich dagegen mit einem unterkühlten und leicht abschätzigen Umgangstons, der nicht unhöflich war. Ihre damit einhergehende direkte und ironisierende Art hatte sie zum Liebling aller einsamen
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