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Grrrimm (German Edition)

Grrrimm (German Edition)

Titel: Grrrimm (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Duve
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mich einen hässlichen Gnom und eine Missgeburt.
    »Bind es zu!«, kreischt sie. »Bind es sofort wieder zu! Ich werde Grimbold sagen, was du getan hast.«
    »Ach ja«, antworte ich, »willst du ihn dann auch eine Missgeburt nennen? Das hast du ja gerade sehr deutlich gemacht, was du eigentlich von uns hältst.«
    Jetzt sitzt sie schön in der Patsche. Wenn sie petzt, petze ich auch. Grimbold ist schließlich noch kleiner als ich. Und prompt macht sie auf Prinzessin, schaut über mich hinweg und sagt in einem ganz unangenehmen Befehlston: »Schnür mir sofort das Mieder wieder zu, aber wage es ja nicht, mich dabei anzufassen.«
    Sie dreht mir den Rücken zu und ich nehme das Band und fädele es wieder durch die Ösen – ohne sie zu berühren – und ziehe stramm.
    »Fester«, sagt sie. »Was hast du dir eigentlich eingebildet? Los doch, du musst fester ziehen. Nun mach schon – oder bist du dafür zu schwach?«
    Und da habe ich eben fester gezogen. Richtig fest. Sie japste nach Luft und warf die Arme hoch und wollte sich zu mir umdrehen. Aber ich habe ihr meinen rechten Fuß in den Rücken gestemmt und noch fester gezogen. Und dann habe ich einen doppelten Knoten gemacht und sie mit dem Fuß von mir gestoßen. Ich war aber auch stinkwütend. Wie sie dann so totenblass und mit blauen Lippen auf dem Boden lag und sich nicht mehr rührte, habe ich einen Riesenschreck bekommen. Ich meine, ich wollte sie ja nicht umbringen. Ich war bloß so wütend. Also habe ich mich hingekniet und versucht, den Knoten wieder aufzumachen. Aber meine Finger sind von der Arbeit im Bergwerk voller Schwielen und Narben, und der Knoten war verdammt stramm zugezogen. Schließlich schnitt ich ihn einfach mit meinem Messer durch. Da geht die Tür auf und Grimbold, Bickerl, Hobo und der Rest drängen herein. Sie sind mir nachgelaufen. Unglaublich! Seit über zwei Jahren arbeite ich nun schon mit ihnen zusammen. Da kann man doch wohl ein Mindestmaß an Vertrauen erwarten.
    »Was ist passiert?«, ruft Grimbold und alle stürzen zu Schneewittchen und knien sich auf den Boden.
    »Ist sie tot?«
    »Oh, nein!«
    »Schneewittchen!«
    »Sie ist doch nicht tot?«
    »Ich weiß es nicht«, sage ich. »ich habe sie so gefunden. Ich denke, es ist am besten, wenn wir erst mal das Mieder aufmachen, damit sie mehr Luft bekommt.«
    Ich ziehe das Band aus den Ösen und in diesem Moment kehrt ein klein wenig rote Farbe in Schneewittchens Lippen zurück und sie macht einen tiefen, keuchenden Atemzug.
    »Sie lebt!«
    »Schneewittchen lebt.«
    Alle schreien durcheinander, und ich nehme Schneewittchen schnell auf meine Arme und trage sie zu ihrem Bett. Ich schaue in ihr Gesicht, ob sie schon wieder ganz bei sich ist, und ihre Augen bohren sich hasserfüllt in meine. Sie hat schwarzbraune Augen.
    Wie ein Tier.
    »Ein Wort zu den anderen, und ich sage Grimbold, dass du uns alle als Missgeburten bezeichnet hast«, flüstere ich ihr ins Ohr, während ich sie sanft auf ihr Bett lege. Jetzt schart sich die ganze Bande um sie. Grimbold stützt ihr den Rücken, und Hobo hält ihr einen Becher Wasser an den Mund. Schneewittchen trinkt in kleinen Schlucken, und ich nutze den Augenblick, in dem alle Augen auf sie gerichtet sind, um meinen eigenen Becher, der immer noch auf dem Boden steht, mit dem Fuß unter mein Bett zu schieben.
    »Was ist passiert?«, frage ich mit unschuldigem Augenaufschlag, als Schneewittchen zu Ende getrunken hat.
    »Ich weiß nicht«, sagt Schneewittchen langsam und sieht mich dabei direkt an, »da war eine alte Krämerin an der Tür und hat Schnürriemen feilgeboten. Da habe ich sie hereingelassen, und die Alte sprach zu mir: ›Wie du aussiehst. Ich will dich einmal ordentlich schnüren.‹ Aber dann schnürte sie mich so fest, dass mir der Atem verging. Von da an weiß ich nichts mehr.«
    Die Geschichte ging ihr glatt von der Zunge. Sie war einfach eine geborene Lügnerin. Der treudoofe Grimbold stieg auch sofort darauf ein.
    »Die alte Krämerfrau war niemand anders als die gottlose Königin, die dir schon einmal nach dem Leben trachtete«, jammerte er. »Hüte dich, und lass fortan keinen Menschen herein, wenn wir nicht bei dir sind.«
    Das Leben ging wie gewohnt weiter, das heißt, Schneewittchen putzte, kochte, buk und wusch, und wir wühlten in der Erde. Leider wurde die Ausbeute von Tag zu Tag schlechter. Grimbold überlegte schon, ob wir unseren Stollen aufgeben und uns wieder in einem fremden Bergwerk verdingen sollten. Die Bezahlung dort war

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