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Grrrimm (German Edition)

Grrrimm (German Edition)

Titel: Grrrimm (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Duve
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Schneewittchen mitgebt, dann bin ich morgen auch weg.«
    Gemeinsam traten wir wieder vor die Tür, und Grimbold gab unsere Entscheidung bekannt. Der Prinz hieß seine Jäger absitzen und uns die Pferde übergeben. Dann mussten sie junge Bäume schlagen und daraus Stangen hauen, auf denen sie den Sarg auf ihren Schultern davontrugen. Der Prinz ritt auf seinem Schimmel nebenher. Davon, dass er sein hohes Ross uns überlassen wollte, war plötzlich nicht mehr die Rede. Jedenfalls, sie sind nur wenige Lachter weit gekommen, da stolpert einer der Jäger schon über einen Strauch. Beinahe fällt der Sarg zu Boden. Die anderen drei können ihn gerade noch halten. Sie setzen ihn ab, um die Stangen neu zu ordnen, und plötzlich fängt einer der Jäger an zu gestikulieren und zu winken. Ich renne sofort los und stehe neben dem Sarg, noch bevor der Prinz von seinem fetten Schimmel gestiegen ist. Die Jäger haben den Deckel bereits abgehoben und starren auf Schneewittchen wie auf ein Gespenst. Sie bewegt sich, sie lebt! Aber ihr Gesicht ist zu einer Grimasse verzogen, und sie scheint an etwas zu würgen. Ich greife ihr einfach in den Mund und ziehe ihr ein Stück Apfel aus dem Hals. Schneewittchen hustet und schlägt die Augen auf.
    »Ach Gott, wo bin ich?«
    Sie sieht mich an, und ich streiche ihr die Haare aus dem Gesicht.
    »Du bist bei mir«, sagt der Prinz, der plötzlich auch da ist. Als wäre damit die Sache vollständig erklärt. Schneewittchen wendet sich ihm zu und hat mich im selben Augenblick vergessen. »Ich habe dich lieber als alles auf der Welt«, sagt der Prinz. »Komm mit mir in meines Vaters Schloss, du sollst meine Gemahlin werden.«
    Er hebt Schneewittchen auf sein Pferd und steigt hinter ihr auf. Er fasst mit einem Arm die quastenbesetzten Zügel, und mit dem anderen hält er sie um die Taille fest. Ich will etwas sagen, damit Schneewittchen wieder absteigt. Aber von da oben sieht sie einfach über mich hinweg. Ich reiche ihr gerade mal bis zu den Schuhen. Sie erinnert sich nicht daran, dass es mich gibt, sie weiß nicht, dass ich sie gewaschen und eingekleidet habe. Sie hat uns alle vergessen und sieht nur den Prinzen an, und der ist groß und gerade gewachsen und hat blonde Locken bis auf die Schultern und trägt parfümierte Kleidung und ist eben ein Prinz. Und Schneewittchen sagt »ja«. Einfach bloß »ja«. So sind die Weiber!
    Tja, und das war’s dann. Immerhin sind wir alle sieben zur Hochzeit eingeladen worden. Da kamen sie sich wahrscheinlich noch besonders großherzig vor, sieben Zwerge zu einer königlichen Hochzeit einzuladen. Bertil und ich sind nicht hingegangen. Aber die anderen haben uns brühwarm davon berichtet, auch dass sich angeblich herausgestellt hat, dass Schneewittchen wirklich eine Königstochter ist. Und es war tatsächlich die Stiefmutter, die ihr den vergifteten Apfel angedreht hatte. Die Stiefmutter hatten sie dann auch zu der Hochzeit eingeladen, aber nur, um sie bei der Gelegenheit mit glühenden Pantoffeln zu Tode zu foltern. Es hat eben jeder eine andere Vorstellung davon, was ein gelungenes Hochzeitsfest ausmacht.
    Ein Jahr später hat sich der Prinz wieder scheiden lassen. Er ist deswegen sogar bis zum Papst geritten, hat ihm erzählt, er könne nicht bei einer Frau liegen, die wochenlang mit sieben Männern, noch dazu Zwergen, in einer Hütte im Wald zusammengelebt hätte, das müsste jeder einsehen. Danach war Schneewittchen die Geliebte des jüngeren Bruders des Prinzen, und danach die Geliebte des Oberstallmeisters, und nicht lange, und sie wurde von einem zum anderen weitergereicht. Niemand weiß, wo sie gerade steckt.
    Was die Goldader betrifft, die wir entdeckt haben, so scheint sie schier unerschöpflich zu sein. Wir sind jetzt steinreich. Grimbold hat nicht mehr viel davon gehabt. Als die königliche Scheidung durch war, ist ihm vor lauter Kummer um Schneewittchen das Herz gebrochen. Wir haben den Glassarg aus dem Schuppen geholt und Grimbold darin beerdigt. Danach bin ich zu unserem neuen Anführer gewählt worden. Hobo und dem Venetianer hat das nicht gepasst, und sie haben sich auszahlen lassen und gemeinsam ein Stadthaus gekauft. Die beiden haben ja schon immer auffällig oft zusammengehockt. Aber wir übrigen vier sind weiterhin in unserer kleinen Hütte geblieben, damit jemand da ist, falls Schneewittchen zurückkommen will. Abwechselnd fährt einer von uns durchs Land, um nach ihr zu suchen. Hat bestimmt viel durchgemacht, das arme Kind. Aber wenn sie

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