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Grrrimm (German Edition)

Grrrimm (German Edition)

Titel: Grrrimm (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Duve
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allerdings katastrophal schlecht, weil man inzwischen fast überall Kinder arbeiten ließ, die man mit ein paar Kreuzern abspeisen konnte. Ich bot an, das Problem auf meine Art zu lösen und den kleinen Scheißern richtig Angst einzujagen, um den Weg für uns frei zu machen, aber davon wollte der ehrpusselige Grimbold nichts wissen. Also fraßen wir weiterhin den ganzen Tag Dreck, um am Ende eines Tages mit einem kleinen Amethyst oder zwei winzigen Goldgraupen nach Hause zu kommen. Der einzige Lichtblick war Schneewittchen, die jeden Abend auf uns wartete und aus einer Handvoll Linsen und einem Knochen immer noch ein prächtiges Abendessen zu zaubern verstand. Sie versuchte, sich nichts anmerken zu lassen und mich wie die anderen zu behandeln, aber da war natürlich ständig eine Spannung zwischen uns.
    Ja, und dann fand ich diesen dicken, fetten Goldklumpen. Grimbold hatte uns angewiesen, jeweils zu zweit Seitenstollen zu hauen, und zum ersten Mal war eine seiner Ideen gut gewesen. Ich klopfte mit Bertil zusammen, und Bertil schob gerade den Karren mit dem Schutt nach draußen, als mir plötzlich dieser Goldklumpen entgegenkullerte. Er funkelte und schimmerte im Licht meiner Grubenlampe, es musste unglaublich reines Gold sein. Ich hörte den Karren zurückrattern und steckte den Klumpen schnell in mein Hemd.
    »Mir ist schlecht«, sagte ich zu Bertil. »Ich muss an die frische Luft. Sag den anderen nichts, die machen sich sonst bloß über mich lustig. Wahrscheinlich geht’s mir gleich besser und ich bin im Handumdrehen zurück. Falls nicht, treffen wir uns zu Hause.«
    Kaum war ich draußen, rannte ich so schnell ich nur konnte zu Schneewittchen. Aber ich kam nicht ins Haus. Sie hatte die Tür abgesperrt. Als ich klopfte, machte sie nur ein Fenster auf.
    »Grimbold hat gesagt, ich soll niemanden hereinlassen«, keifte sie, »und das gilt ganz besonders für Leute wie dich.«
    Ich zog den Goldklumpen aus meinem Hemd.
    »Schau dir das an«, sagte ich, »damit kann ich uns ein eigenes Haus bauen, ein richtiges, großes, nur für uns beide.«
    »Das Gold gehört dir nicht allein«, erwiderte Schneewittchen besserwisserisch, »es gehört euch allen zusammen.«
    »Bevor die anderen vom Stollen zurück sind, können wir schon längst über sieben Berge sein.«
    »Das sieht dir ähnlich«, sagte Schneewittchen, »die anderen für sich schuften lassen und dann ganz allein mit der Ausbeute weglaufen. Dass du dich nicht schämst. Du bist wirklich ein Wicht.«
    Ich wurde wieder so wütend. Ich weiß, das ist ein Fehler von mir, dass ich meine Wut nicht kontrollieren kann – aber was musste sie mir auch die ganze Freude verderben? Jedenfalls, ich schmeiße den Goldklumpen auf den Misthaufen, und dann schwinge ich mich einfach auf den Blumenkasten und klettere durchs Fenster hinein. Schneewittchen rennt zur Haustür und schiebt den Riegel zurück, aber bevor sie die Tür aufreißen kann, habe ich sie an den Haaren gepackt und zu Boden gerissen. Sie kreischt und wehrt sich mit Händen und Füßen, und ich werfe mich auf sie und packe ihren Kopf mit beiden Händen, und dann küsse ich ihren wundervollen blutroten Mund. Sie kratzt und beißt und windet sich wie eine Natter, aber ich halte sie an ihren schwarzen Haaren fest und küsse einfach weiter. Plötzlich liegt sie ganz still und rührt sich nicht mehr. Ich denke schon, sie hat endlich nachgegeben, da höre ich es auch: Die anderen kommen zurück. Ich kann gerade noch von Schneewittchen herunterkrabbeln, da geht auch schon die Haustür auf, und Grimbold stürmt herein. Bertil und Helmerich hinter ihm her, und dann der Rest der Bande.
    »Was geht hier vor«, heult Grimbold und: »Schneewittchen, was hat er dir getan?«
    Bertil und Helmerich packen mich und zerren mich hoch.
    Schneewittchen, die Haare völlig aufgelöst, richtet sich auf und sieht sich um, als sei sie eben erst aus einem tiefen Schlaf erwacht.
    »Oh, Grimbold, verzeih mir«, sagt sie zu meiner allergrößten Überraschung, »verzeiht mir, meine guten Freunde, aber ich habe euren Rat nicht befolgt und wieder die Tür geöffnet.«
    Und dann gibt sie, ohne mit der Wimper zu zucken, eine haarsträubende Lügengeschichte zum Besten, nämlich dass abermals ein altes Weib – ein anderes diesmal – angeklopft und Ware feilgeboten hätte.
    »Ich öffnete bloß einen Spalt und sagte ihr, dass sie nur weitergehen solle, weil ich niemanden hereinlassen dürfe. Da zeigte sie mir einen Kamm und meinte: ›Das Ansehen wird

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