Gruber Geht
einen, wie der Kerl, der seinen umgeschmissen und dann neu bestellt hat. Gruber geht in das Lokal hinein (ganz hübsch eigentlich, diese blauen und weißen Fliesen, war wohl früher einmal eine Fleischerei) und darf, Glück gehabt, gleich seine Bestellung aufgeben. Bitte so einen Kaffee im Glas. Einen Galão?, fragt das Mausi hinter der Vitrine, ja, sagt Gruber, wird wohl ein Galão sein, und einen Gemüsesaft, Gruber fühlt, dass ihm so eine Vitaminbombe akut extrem gut tun wird. Äh, Moment, Orange, Rote Beete und Karotte, groß, bitte, und dann noch so ein Panino. Das da, mit Prosciutto und Käse und Rucola und der grünen Soße, genau das. Das Mausi tippt alles in den Computer, sagt: zehnvierzig, und dass sie es rausbringt, wenn es fertig ist. Den Kaffee hat das andere Mausi in der Zwischenzeit schon aus der Maschine gelassen. Sie ist, stellt Gruber fest, sehr hübsch, trägt aber merkwürdige Kleidung, nein, umgekehrt, sie trägt eigenartige Kleider, ist aber sehr hübsch, auch wenn man in den eigenartigen Kleidern kaum sehen kann, wie gut ihr Arsch ist. Und das kann Gruber einfach überhaupt nicht verstehen, warum eine Frau, wenn sie einen guten Arsch hat, den so versteckt.
Es ist allerdings, das hat Gruber schon bemerkt, in dieser Gegend von Berlin vollkommen üblich, merkwürdig bekleidet zu sein, also, wenn man eine Frau ist. Oder besser, ein Mädchen. Obwohl hier auch die erwachsenen Frauen Mädchen sind, sie ziehen sich jedenfalls so an. Gruber findet, als er seinen Kaffee, seinen Galão, aus dem Galão hinaus balanciert, seine Befürchtungen eingetroffen, nämlich seinen Platz und offensichtlich auch seine
FA
Z
von einer rotlockigen Blassheit in einem kurzen Sackkleid besetzt, die unter der Linde (oder was das ist) eifrig mit dem Herrn am Nebensessel züngelt. Gruber überlegt sich kurz, ob er den Gottseibeiuns geben soll, fühlt sich dafür aber augenblicklich zu kraftlos. Die Frau wirkt auch etwas gefährlich, wie eine, die leicht krallig und bissig wird, wenn man sie bei ihren Intimitäten stört, lieber nicht, denkt Gruber, jetzt lieber nicht. Außerdem ist vis-à-vis ein besserer Platz frei geworden, vor dem Schaufenster des Galão, mit guter Übersicht über die Straße, leider mit dem sich weiterhin engagiert abschleckenden Liebespaar sehr störend im Zentrum seines Blickfelds. Es graust Gruber ein wenig. Suchts euch eine Wohnung! Es ist heiß. Gruber schwitzt unter seiner Adidaskappe, hoffentlich rinnt ihm der Schweiß nicht darunter hervor. Übrigens kommt ihm die Frau bekannt vor, aus dem Fernsehen vermutlich; in Berlin trifft man ja permanent auf Promis. Lieber wäre ihm, er erspähte von hier aus sein Rad. Hellbraun ist es, oder schmutziggelb, oder orange oder so. Und hat hinten so einen blöden Korb drauf, der beim lässig Aufschwingen stört, einmal hat es ihn gestern fast auf die Pappn gehaut, weil er mit der Hose am Korb hängengeblieben ist. Was passiert eigentlich, wenn man so ein Rad verliert? Ist das versicherungsmäßig gedeckt? Das ist doch bestimmt von einer Versicherung gedeckt; wurscht, Gruber wird sich später darum kümmern, zumal nun das Vitrinen-Mausi mit einem Glas und einem Teller am Eingang des Galão erscheint und zwei Wörter in die Menge ruft, denen Gruber seine Bestellung zuordnet. Hier!, sagt Gruber, steht auf und geht dem Mausi entgegen, mit seinem besten Ich-bin-nämlich-ein-sehr-respektvoller-Gast-Lächeln, man weiß ja nie. Das Mausi lächelt professionell zurück. Das heiße Sandwich sieht nach maximaler Kaloriendichte aus, riecht aber gut. Gruber hätte jetzt wirklich gern einen Tisch. Er stellt das Glas mit dem Gemüsesaft hinter sich auf den Fenstervorsprung und balanciert den warmen Teller auf den Knien. Die dünne Serviette klebt am Käse, klebt am Brot, Gruber fitzelt sie herunter und verbrennt sich dabei die Finger. Die Frauen haben hier alle flache Schuhe an, ausnahmslos flache Schuhe, Frauen in hochhackigen Schuhen gelten hier offenbar als Aliens. Vielleicht ist das Tragen von High Heels hier ja verboten, weiß man’s? Aber sie tragen auch sehr gerne kurze Röcke und Hotpants, das findet Gruber wiederum gut. Und es gibt sehr viele junge Eltern hier, ständig gehen Jungfamilien an ihm vorbei, mit Kindern in bunten, hochtechnisch aussehenden Buggys (Gruber sucht sich schon mal einen aus, so einen schicken champagnerfarbenen mit schwarzen Akzenten, wie den da drüben, so einen will er) mit Kindern auf Bäuche, Rücken und Fahrräder geschnallt. Die Mütter
Weitere Kostenlose Bücher