Grün. Le vert de la Provence
Aber da war die Vertrautheit, die
zwischen ihm und Ed im Laufe der Jahre gewachsen war und die in dieser
Situation einen letzten Freundschaftsdienst rechtfertigte.
„Gut, ich kümmere mich um die Frau.“ Er dreht sich zu
Valerie. „Für Ed“, fügte er hinzu.
Mittwoch, 18. August
Provenzalischer Markt
Am Mittwochmorgen traf Anselm in der Küche auf Sophie.
Eine kleine, rundliche Frau mit grellrot geschminkten Lippen, die ihn
verstohlen kritisch beäugte. Er wusste, dass er keinen sonderlich guten
Eindruck machte. Wie häufig, hatte er nach dem Duschen vergessen sein Haar zu
kämmen, das jetzt in wirren, kurzen graubraunen Strähnen wie ein
sturmgeknicktes Kornfeld wirken würde. Immerhin hatte er sich rasiert. Sein
schlaksiger Körper wirkte neben ihrer Kompaktheit wie der von Don Quichotte
neben dem von Sancho Pansa. Und wie dieser verfügte vermutlich auch Sophie über
einen praktischen und gesunden Menschenverstand. Anselm hoffte in dem Kontext
dieser Betrachtung, dass seine Aufgabe sich nicht zu einem Kampf gegen
Windmühlen entwickeln würde.
Madame Baumann sei schon fort, sagte sie. Nach Avignon .
Zu ihrem Anwalt. Sie solle ihm Frühstück machen.
Sie wirkte scheu. Was, wie Anselm mutmaßte, nicht ihr
Naturell war. Sie schien ihm mehr die burschikose Frohnatur zu sein, die mit
den ausladenden Hüften auf Dorffesten bei ausreichender Weinzufuhr gerne
augenzwinkernd mit Männern kokettierte. Vielleicht war das aber auch sein
Vorurteil. Jedenfalls begegnete sie ihm und seinem investigativen Tun in
Valeries Auftrag mit Skepsis und sah Zurückhaltung offensichtlich als die
derzeit gebotene Strategie an. Vermutlich wusste sie wesentlich mehr Details,
die zur Klärung von Eds Tod beitragen könnten, als sie es vorgeben würde zu
wissen, und tatsächlich wich sie Anselms Nachfragen aus. Stattdessen beteuerte
sie, schüchtern lächelnd, nur die verwaltungstechnischen Details des Hauses
Baumann zu kennen. Sie sei zuständig für das Reinigungspersonal, für Handwerker
und Einkäufe, gelegentlich übernehme sie auch die Aufgabe einer Köchin. In der
Zeit, in der Baumanns nicht in der Provence seien, kämen der Gärtner und sie
einmal wöchentlich zum Haus, um alles in einem Zustand zu halten, der es
Valerie und Ed ermögliche, jederzeit spontan anzureisen. Wenn es besonders warm
sei, komme der Gärtner auch öfter, um die Anlage zu bewässern.
„Erzählen Sie mir was über den Gärtner“, forderte Anselm
sie auf, und mit der Beantwortung dieser Frage zögerte sie nicht lange. „Ein
missmutiger kleiner Mann ist das. Mir ist der unheimlich, taucht immer völlig
lautlos hinter einem auf, ohne sich irgendwie bemerkbar zu machen. Ich bin
jedes Mal zu Tode erschrocken, wenn die Baumanns nicht im Haus sind und er
plötzlich hinter mir in der Küche steht.“
„Der Gärtner hat einen Schlüssel?“
„Natürlich. Der muss ja auch nachsehen, ob alles in
Ordnung ist, ob nirgendwo etwas eingeschlagen worden ist, oder so.“
„Ist das schon mal vorgekommen? Ich meine, dass hier am
Haus in der Abwesenheit von Baumanns etwas zerstört worden ist oder
eingebrochen wurde?“
„Na ja, anfänglich schon. Hier haben sich immer
irgendwelche Leute rumgetrieben, es ist mutwillig was kaputt gemacht worden und
zweimal ist auch eingebrochen worden. Die haben aber nur Kleinkram und die
Videoanlage geklaut und einmal wurde was aus der Speisekammer mitgenommen. Das
waren keine richtigen Diebe oder Banden, wie das heute schon mal passiert.
Nachdem die Baumanns diese Sicherheitsfirma beauftragt haben und das große Tor
und die Videoüberwachung gekommen sind, da hat es dann aufgehört. Danach haben
wir nie mehr etwas von Eindringlingen bemerkt. Aber kontrollieren muss der
Alain trotzdem regelmäßig.“
„Alain, das ist der Gärtner?“
„Ja.“
„Und der wohnt hier? Ich meine, hier in der Nähe?“
„Oben auf der Hochebene, dem Plateau. Dort wo sie früher
die Atomraketen hatten.“
„Die Atomraketen? Das klingt aber gefährlich. Was denn
für Atomraketen?“
„Die Atomraketen der Franzosen eben. Die steckten da oben
in Silos, die man in den Felsen gegraben hatte. Da sind ja sowieso überall
Felsen und Höhlen und Löcher. Seit Ende der Neunzigerjahre sind die Raketen
aber weg. Sagt man zumindest. Genau weiß das keiner, das ist ja alles geheim
und streng bewacht.“
Von Sophie erfuhr Anselm auch, dass der Gärtner das
Anwesen schon betreut hatte, bevor es Baumann gehörte. Sie wusste aber nichts
von den
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