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Grün. Le vert de la Provence

Grün. Le vert de la Provence

Titel: Grün. Le vert de la Provence Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Burger
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gesehen?“
    „Mit Sicherheit nicht. Die beiden wirkten völlig
selbstvergessen. Sie standen auch nicht direkt an dem Marktstand, sondern ein
wenig dahinter, zu dem Lieferwagen hin.“
    „Waren noch andere Leute am Stand?“
    „Keine, die verkauft haben. Das machte offensichtlich sie
allein. Aber es gab einige Kunden, oder zumindest Leute, die sich für ihre
Kräuter interessierten. Aber sie interessierte sich nicht für die Kunden,
sondern nur für Ed.“
    „Und dann?“
    „Ich hatte zunächst den Impuls, zu den beiden hinzugehen.
Es hätte ja eine alte Bekannte von Ed sein können, die er zufällig hier
getroffen hatte. Dann haben die beiden sich aber ganz plötzlich und sehr innig
umarmt. Und Ed hat sie geküsst. Auf den Mund.“ Sie machte eine Pause, als
versuchte sie, sich die Szene noch einmal genau vor Augen zu führen. „Also, das
war jetzt kein leidenschaftlicher Kuss, verstehst du? Aber sie küssten sich
sehr herzlich, sehr lange und intensiv. Ich war ziemlich vor den Kopf
gestoßen.“
    „Was hast du dann gemacht?“
    „Ed ging nach dem Kuss. In die andere Richtung. Als er
weg war, bin ich zu dem Stand hingegangen, habe mein Handy herausgeholt und die
Frau in einem unbeobachteten Augenblick fotografiert. Dann habe ich an einem
anderen Stand etwas Gemüse gekauft und bin zurück zum Haus gefahren. Den
restlichen Tag habe ich versucht, meine Fassung zurückzugewinnen. Ed kam dann
am späten Nachmittag und wirkte etwas verstört. Ich dachte erst, er hätte mich
auf dem Markt bemerkt, aber das war nicht so.“
    „Du hast ihn nicht zur Rede gestellt?“
    „Nein! Ich wollte, dass Ed von sich aus etwas sagt. Das
hat er aber nicht getan.“
    „Und jetzt ist es zu spät dazu, ihn zu fragen!“
    Valerie nickte. Anselm sah, dass ihre Kiefermuskeln
arbeiteten.
    „Und was erwartest du von mir? Ich meine, du brauchst
mich doch nicht als deinen seelischen Beistand, oder? Also, welche Rolle soll
ich in diesem Drama spielen?“
    „Sagte ich doch schon“, entgegnete Valerie schroff, „du
sollst sie finden! Ich will wissen, wer sie ist, was sie macht, seit wann das
mit Ed geht“.
    „Und die Blonde?“
    „Ich glaube nicht, dass die von Bedeutung ist. Das war
vermutlich eine Zufallsbekanntschaft und Ed fand sie so scharf, dass er sich
bei ihr völlig verausgabt hat. Als er dann tot am Boden lag, hat die das Weite
gesucht. Von der werden wir kaum wieder etwas hören. Nein, ich will wissen, was
mit der Frau vom Markt ist. Da lief irgendetwas, was auch für mich von
Bedeutung sein kann. Oder für den Verlag, für Eds Familie.“
    „Ich kann nur meine Rolle in dem Ganzen nicht erkennen!“
    „Du schreibst Kriminalromane!“
    „Das ist doch nun aber weit hergeholt. Ich schreibe in
erster Linie Kochbücher. Das weißt du genau. Auch, dass die Krimis nur meiner
Entspannung dienen. Und außerdem sind Krimis Geschichten, keine Realität. Man
wird deshalb nicht zum Detektiv.“ Anselm war gereizt. Vermutlich benötigte
Valerie tatsächlich eine Unterstützung, er hatte aber kein wirkliches Interesse
daran, ihr zu helfen. Wenn sie sich in der Vergangenheit begegnet waren, hatte
er sie stets als borniert empfunden, mit jenem Anflug von Überheblichkeit, den
Franzosen gerne gegenüber Ausländern zum Ausdruck brachten.
    Auch jetzt hatte Valerie kaum etwas von dieser
Borniertheit abgelegt. Zudem hatte sie sich in den aprikosenfarbenen Polstern
des Gartensessels geradezu drapiert. Ihr dunkler Teint und das tiefe Zinnober
des Kleides harmonierten perfekt mit dem Sessel. Eine gut eingeübte
Inszenierung, von der sie wusste, dass sie ihre Wirkung selten verfehlte. Sie
sah ihn herausfordernd an.
     
    Anselm stand auf, ging zum Pool und sah lange auf das
Wasser. „Ich muss darüber nachdenken“, sagte er schließlich. Tatsächlich
stellte er sich Eds Körper auf der Oberfläche vor und überlegte, wie der in
diese lächerliche Sexgeschichte hatte hineingeraten können. Er kniete sich hin
und befühlte die Temperatur. Das Wasser war lauwarm. Seit Wochen herrschte in
der Provence hochsommerliches Wetter mit Extremtemperaturen. Es war eigentlich
völlig logisch, dass das Wasser nicht kalt sein konnte. Ein Herzschlag als
Todesursache konnte für niemanden glaubwürdig sein.
    Die ganze Geschichte war geradezu grotesk. Es wäre jetzt
der geeignete Zeitpunkt dafür, wieder abzufahren, überlegte Anselm, und damit
das Eheleben der Familie Baumann der Betrachtung durch die Presse und Valerie
der Obhut ihrer Anwälte zu überlassen.

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