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Grün war die Hoffnung

Grün war die Hoffnung

Titel: Grün war die Hoffnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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ein so natürliches Geräusch, als käme es von einem der verliebten Insekten in den Bäumen, die am Ufer wie eine schwarze, unergründliche Mauer aufragten.
    »Scheiße!« fluchte Hector leise hinter ihnen, dann erfolgte ein mächtiges Klatschen – es klang wie der Höhepunkt einer Delphinshow, wie Wasserbomben oder vom Pier herabgeworfene Bierfässer – und schließlich sein schrilles, wildes Lachen.
    »Pssst!« zischte Walter. Ihm gefiel das nicht, ihm gefiel das überhaupt nicht. Aber er war betrunken – schlimmer noch, er war vollkommen hinüber von Hectors Pillen, die er die ganze Nacht hindurch geschluckt hatte – und deshalb war ihm alles egal. Er spürte den Auftrieb des Wassers wie die Hände der Flußnymphen, als er sich abstieß und vorsichtig die ersten Schwimmzüge machte.
    Um zehn waren sie aus dem »Elbow« weggegangen, um in Hectors zerbeultem Pontiac Baujahr ’55 eine Pfeife herumgehen zu lassen. Walter hatte nicht zu Hause angerufen – hatte überhaupt nicht viel unternommen, außer sich Bier in die Kehle zu schütten –, und er dachte mit einer Art perversem Vergnügen an Jessica, an Hesh und Lola und an seine Tante Katrina. Inzwischen vermißten sie ihn sicher schon, soviel war klar. Das gefüllte Hähnchen war im Herd längst knochentrocken, der Spargelsalat aufgeweicht. Die Mousse zusammengefallen. Er stellte sich vor, wie sie mißgelaunt um den Picknicktisch aus Redwoodholz herumhockten, das Eis in den Cocktails geschmolzen, erstarrte Zahnstocher in der fettigen Pfütze auf der Servierplatte, die längst aller Hackfleischklößchen entledigt war. Er stellte sie sich vor – seine Familie, seine Freundin –, wie sie auf ihn warteten, auf Walter Truman Van Brunt, ein Wesen eigener Schicksalsbestimmung, seelenlos, hart, frei von Konventionen und der doppelten Last von Liebe und Pflicht, und jetzt nahm er die Haschischpfeife eines Fremden entgegen. Bestimmt vermißten sie ihn inzwischen, ja, ganz bestimmt.
    Doch dann spürte er ein stechendes Schuldgefühl, die Verdammnis des Abtrünnigen, und erblickte wiederum seinen Vater. Diesmal ging der Alte allein quer über den Parkplatz, die Hände tief in den Taschen seiner gestreiften Hose mit Schlag, ein langes malvenfarbenes Halstuch vor der Brust. Er blieb direkt vor dem Autofenster stehen, beugte sich herab und sah herein, mit dem gleichen irren, gequälten Blick wie damals, als er an Walters elftem Geburtstag aus dem Nichts erschienen war.
    Aus dem Nichts. Wie ein Gespenst. Riesig, mit rötlichem Stoppelhaar, zerrissenen, ölverschmierten Hosen und einer zu kurzen Jacke, hatte er ausgesehen wie eine Kreuzung zwischen dem Ewigen Juden und Dickens’ Geist der vergangenen Weihnachtsfeste, wie ein Ekstatiker, dem die Ekstase abhanden gekommen war, ein Mann ohne Zukunft, ein Penner. So unwirklich, daß Walter ihn gar nicht bemerkt hätte, wäre da nicht das Geschrei gewesen. Elf Jahre alt, vollgestopft mit rosa Zuckergußkuchen, Malzbier, Schokoladen-Marshmallows und Mars-Riegeln, saß Walter oben in seinem Zimmer und spielte mit seinem neuen Satz von »Präsidenten, Regenten und Minister der Welt« herum, als er vor dem Haus erregtes Stimmengewirr hörte. Heshs Stimme. Lolas. Und noch eine, eine Stimme, die so klang, als wäre sie in seinem eigenen Kopf, als dächte sie für ihn, faszinierend, fremd und vertraut zugleich.
    Die Vordertür war offen. Hesh stand im Eingang wie ein Koloß, an seiner Seite Lola. Vor ihnen, auf dem Rasen, war ein Mann mit einem Kopf wie ein Kürbis und farblosen, wäßrigen Augen. Er war sehr aufgeregt, dieser Mann, lief beinahe Amok, tanzte vor Wut auf einem Bein herum und skandierte wie ein Schamane die Litanei seiner Kränkungen, die wie Essig aus ihm heraussprudelte. »Fleisch von meinem Fleisch!« schrie der Mann immer wieder.
    Hesh, der große Hesh mit seinem ehrlichen Kahlschädel und den Unterarmen wie Schmiedehämmer, brüllte diesen Mann an, der wie ein Landstreicher aussah – Walters Vater –, als wollte er ihn umbringen. »Du dreckiges Schwein!« tobte Hesh mit schriller, lauter Stimme, jedes Wort klar und deutlich. »Lügner, Dieb, Mörder! Verschwinde! Verschwinde von hier!«
    »Kidnapper!« giftete der Mann zurück und bückte sich, um in seiner Rage auf den Boden einzuschlagen. Dann aber trat plötzlich Walter in sein Blickfeld, verwirrt und verschüchtert, und der Mann verstummte. Eine Veränderung ging über sein Gesicht – es war häßlich und wutverzerrt gewesen, und nun war es auf einmal

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