Grün war die Hoffnung
Stimmengemurmel, Marvin Gaye, Sly and the Family Stone, Hendrix, wumm-wumm- flapp , und Pan befand sich mitten in der ausufernden Schilderung eines Konzerts im Central Park und den guten und schlechten Trips, auf denen er an diesem Abend gewesen war, und wie ihm irgendwer die Windschutzscheibe vom Auto seiner Mutter vollgekotzt hatte, ausgeliehen mit allen Auflagen und Sanktionsdrohungen, als plötzlich Sally, die schlaksige Vierzehnjährige in den geflickten Jeans und dem hautengen Top, die von zu Hause ausgerissen war, einen Schrei ausstieß. Genauer gesagt, laut aufbrüllte. »Geh runter von mir, duIdiot!« stieß sie in einem quietschend wilden pubertären Vibrato hervor, so daß Ronnie aus seiner Erzählerei aufblickte und sah, wie Lester sie niederdrückte und mit beiden Händen und dem rosa Keil seiner Zunge auf ihre Brüste losging, und wie Sky Dog – Sky Dog , der verständnisvolle Mr. Peace-and-Love höchstpersönlich – sein gebräuntes nacktes Hinterteil zeigte und sich alle Mühe gab, dem Mädchen die Jeans von den heftig strampelnden Beinen zu zerren.
Ronnie war mitten in seiner Geschichte, er brabbelte sich durch die tausendmal erzählten Episoden und flocht näselnd die zwanzig coolsten Sprüche des Tages ein, und er fühlte sich so weggetreten , daß er kaum den Kopf geradehalten konnte, aber das – dieser Schrei, diese Szene – ließ ihn regelrecht erschauern. »Geht weg, geht weg!« schrie das Mädchen immer wieder, und jetzt waren ihre Beine nackt, und Sky Dogs Hintern wackelte vor und zurück auf eine Weise, die beim Zusehen richtig weh tat, auf eine Weise, die falsch war, grundfalsch, und Ronnie versuchte sich aufzurappeln, versuchte zu sagen: Hey, Alter, was glaubst du eigentlich, was du da tust? , denn das hier war nicht richtig, absolut nicht – aber als er endlich auf die Füße gekommen war, wurde ihm bewußt, daß jeder einzelne im Raum ihn mit Blicken betrachtete, in denen nicht der kleinste brüderliche oder auch nur menschliche Funke lag.
Am Morgen, der aus dem Himmel herabfuhr wie eine russische Rakete, die auf sein Gehirn zielte, schlug Pan im harten hohen Gras die Augen auf, und die goldenen Samenkolben beugten sich traurig über ihn, als wäre er schon tot und verwest. Offenbar lag er auf dem Rücken in der Nähe des hinteren Hauses, und das war eine widerliche kleine Überraschung, wenn man die Schlangen bedachte, ob Klapper- oder sonstwelche. Seine Haare waren mit Erde und Pflanzenresten völlig verfilzt, und als er seinen Hinterkopf betastete, fühlte er dort eine harte Stelle, so als wäre irgendeine lebenswichtige Flüssigkeit – das heißt Blut – aus ihm herausgequollen und zu einem klebrigen Klumpen geronnen. Er fühlte sich mies auf jede erdenkliche Art. Vor allem aber war er durstig, und er sah sich aufstehen und zum Rasen hinüberwanken, um sich mit dem Schlauch abzuduschen, dann weiter in den Pool, wo das getrocknete Blut – anscheinend hatte er auch eine Platzwunde quer über den Backenknochen – sich auflöste und im Wasser rings um ihn zu einer mattbraunen Wolke von verschlissenem zellulärem Material zerstob.
Es mußte etwa zwölf sein oder vielleicht kurz danach, weil sich alles auf dem Rasen und um den Pool versammelte und mit Blechnäpfen voller Mittagspampe hantierte, glänzende Augen, wehendes Haar, die Farben ihrer Sarongs und T-Shirts und der sonnenbraunen Haut schimmerten bunt, als wäre jeder einzelne eine Glühbirne, die fröhlich vor sich hin brannte. Ein paar Leute sprachen ihn an – »Harte Nacht gehabt, was?« – und lachten und schubsten ihn freundschaftlich, als er sich zum Gartenschlauch beugte und sich das silbrige Naß in einem langen, glitzernden Bogen in den Mund und wieder hinaus fließen ließ. Er kapierte einfach nicht, was ihm Schlimmes passiert war oder was davon am schlimmsten wog – der Kater, der Drogenentzug oder der Blutverlust, und hatte er sich etwa geprügelt, oder was? Er wollte sich konzentrieren, versuchte das Bild dieses Mädchens auf dem Fußboden des hinteren Hauses vor sich zu sehen, aber das einzige, was ihm dazu einfiel, war ein Spruch, den er schon tausendmal verwendet hatte, zwei knappe Worte, die nichts und niemandem gerecht wurden: freie Liebe .
Rebas Kinder waren auch da, ein schöner Tag zum Draußenessen, im Versammlungszimmer/Speisesaal gab es ohnehin nicht genug Stühle, und sie jagten einander schon wieder rings um den Pool, die Backen voller Maispampe und Blumenkohl, nackt und braungebrannt und
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