Grün war die Hoffnung
verstaut, und die Beverly B. lief voll. Sie machte keine Fahrt. Sie ging unter.
Schwerfällig wie ein mit Wasser vollgesogener Baumstamm in einem angeschwollenen Fluss trieb das Boot davon. Sie hatten den Rumpf weiß lackiert, als Kontrast zum braunen Holz des Decks und der Aufbauten – es war ein kaltes, reines, makelloses Weiß, das Weiß von Bettlaken und Nelken, das gespenstische Weiß eines Negativs, von dem es nie einen Abzug geben würde. Ungehindert donnerten die Wellen gegen die Fenster, und dann war das Glas verschwunden, die Beverly B. schaukelte müde, tauchte ein und kam noch einmal hoch. Die Decks waren jetzt unter Wasser, nur das Dach der Kajüte schimmerte bleich im trüben Licht der Morgendämmerung, und die Gischt wehte im Sturm wie ein Leichentuch.
Beverly sah es, sie saß durchnässt, zitternd, zusammengesunken im Bug des Beiboots. Till war neben ihr, aber sie klammerte sich nicht an ihn, ganz und gar nicht, denn sie war zu sehr erfüllt von dem Bedürfnis, all dies hinter sich zu lassen, von hier fortzukommen, an Land. Sie empfand kein Bedauern. Sollte das Meer doch das Boot haben und all die Zeit und das Geld, die sie hineingesteckt hatten, solange es sie nur verschonte, solange es dort draußen, im Zwielicht, diese Insel gab und sie ihnen mit aufschäumender Gischt und schwarzblutenden Felsen entgegenkam. Sie ritten über zwei Wellen, drei, in die Höhe, und jetzt war es eine wilde Fahrt, viel wilder als alles, was ein Vergnügungspark wagen würde anzubieten, und mit einemmal waren sie in einer tiefen Grube mit Wänden aus aquamarinblauem Glas, und alles schien für einen einzigen schimmernden Moment innezuhalten, bevor die Wände über ihnen zusammenstürzten. Sie spürte das Gewicht, die Gewalt des Wassers, und plötzlich schwamm sie, die Kälte hatte sie im Griff, und instinktiv kehrte sie dem Dingi den Rücken und schwamm zurück zur Beverly B. , in der Hoffnung, dort etwas zu finden, an dem sie sich festklammern konnte – und dort war das Boot, es hob und senkte sich und sie mit ihm. Der Wind blies ihr in die Augen. Das Salzwasser brannte in ihrer Kehle.
Sie sah Warren nicht, konnte ihn nirgends entdecken, aber dann wirbelte eine Welle sie herum, und er hätte überall sein können. Und Till – sie hatte ihn auf sich zuschwimmen sehen, sein unversehrter Arm hatte im schwarzen Wasser gerudert, bis er aufgehört hatte zu schwimmen. Wo war er? Die Wellen türmten sich zu Barrikaden auf, und sie konnte nichts sehen. Er rief nach ihr, dessen war sie sicher, sie hörte den ganz leisen Widerhall einer dünnen, brüchigen Stimme, Tills Stimme, vom Sturm verweht, bis sie schließlich verstummte. »Wo bist du?« rief sie. »Till? Till?«
Die Wellen nahmen ihr den Atem. Ihre Glieder schmerzten, ihre Zähne klapperten. Zeit verging – sie wusste nicht, wieviel –, doch alles blieb, wie es war. Sie klammerte sich an das stampfende Wrack der Beverly B. , weil es das einzige war, was es gab. Irgendwann tauchte sie unter, um die Tennisschuhe, die sie behinderten, abzustreifen und der Tiefe zu übergeben. Dann zog sie die Bluejeans aus, deren Beine schwer wie Blei waren.
Als die Beverly B. schließlich von einer Woge, so groß wie ein Kontinent, emporgeschleudert wurde und versank, befreite sie sich mit aller Kraft aus dem Strudel und trat Wasser. Die Wellen hoben sie auf und ab, auf und ab. Sie war allein. Verlassen. Das Boot war verschwunden. Till war verschwunden und Warren ebenfalls. Sie spürte in sich etwas flattern, als hätte es Flügel: Es war die Panik, die sie unvermittelt zu einigen wilden Schwimmzügen antrieb und sich ebenso unvermittelt legte, und dann trat sie wieder Wasser und fuhr für eine Ewigkeit fort, Wasser zu treten, bis die Kräfte sie verließen. Tills Pullover zerrte an ihr. Er war zu groß, zu schwer, und er gab ihr nichts, keine Wärme, keinen Trost, keinen Till, nicht seine Stärke, nicht seinen Geruch. Sie schlüpfte heraus, holte tief Luft und ließ ihn versinken wie das Exoskelett eines ganz neuen Wesens, erschaffen aus Wasser und Salz und der alles durchdringenden Kälte.
Sie versuchte, sich auf dem Rücken treiben zu lassen, doch der Wind blies ihr Wasser in Nase und Mund, so dass sie sich keuchend und spuckend umdrehen musste. War sie abgetrieben worden? Ertrank sie? Gab sie auf? Sie kämpfte mit erschöpften Armen und Beinen gegen die Angst an. Nach einer Weile verlor sie alles Gefühl in den Gliedern und ging unter, doch die Luft in ihrer Lunge brachte sie
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