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Grün war die Hoffnung

Grün war die Hoffnung

Titel: Grün war die Hoffnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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nass waren – und wo war Anise? Wo war Francisco? Und Bumper? Sie drehte sich zweimal um sich selbst und rief den Namen ihrer Tochter. Wenn sie hier, bei ihr, wäre, könnten sie so viele wie möglich retten und beschützen … Sie hörte das Gebell des Hundes, doch er war so gut wie nutzlos und trieb die Mutterschafe, in dem vergeblichen Bemühen, die Herde zu wenden, immer weiter in die Hügel. »Anise!« brüllte sie, dass die Sehnen an ihrem Hals hervortraten. »Anise, verdammt, wo bist du?«
    Nichts, nur die Kakophonie der Raben, bis mit einemmal die Stimme ihrer Tochter an ihr Ohr drang – »Hier, Mom! Schnell!« – und sie, als sie herumfuhr, Anise durch das regennasse Gras auf sich zustolpern sah, in den Armen ein Lamm. Sie weinte, die Lippen waren angespannt, der Mund war ein gähnendes Loch in ihrem Gesicht, das nasse Haar hing ihr ins Gesicht, und Tränen strömten über die Wangen. »Ich kann nicht mehr«, schluchzte sie mit brechender Stimme, »ich kann nicht mehr«, und Rita sah, dass das Lamm in ihren Armen voller Blut war.
    Sie hätte sie trösten können, sie hätte sie trösten müssen, doch sie war zu sehr gefangen in der Wut des Augenblicks. »Leg das Scheißvieh hin, verdammt! Siehst du denn nicht, dass es tot ist?«
    »Ist es nicht, Mom. Ist es nicht. Es atmet noch.« Anise kam auf sie zu, auf wackligen, dünnen Beinen, ein Kind noch, und das Haus und Bax und das Leuchten seines Fensters waren so weit entfernt, dass sie ebensogut in einem anderen Land hätten sein können.
    Genau vor ihr war das Gras blutverschmiert, und dieser Anblick, diese Tatsache, war wie ein Peitschenhieb. Eigentlich wollte sie die beiden Lämmer behutsam auf den Boden setzen, doch die Wut packte sie, und so ließ sie sie einfach auf die nasse Erde und das zertrampelte Gras fallen und stürzte sich auf ihre Tochter. »Was ist denn los mit dir?« fuhr sie sie an, riss ihr das Ding aus den Armen und warf es weg wie Abfall, denn nichts anderes war es ja. Sie hätte sie ohrfeigen können. Sie anschreien können. Sah sie denn nicht, was hier los war? Verstand sie denn nicht?
    »Du bleibst hier stehen und rührst dich nicht vom Fleck. Ich bringe so viele wie möglich her, genau hierhin.« Ihre Stimme hob sich, ein heißer Adrenalinblitz durchfuhr sie.
    Anise starrte sie nur an.
    »Halt ihnen die verdammten Vögel vom Hals. Hast du verstanden? Mehr will ich nicht.«
    Das Gesicht ihrer Tochter war bleich und klein, so fern, als stünde sie noch immer am anderen Ende der Wiese. Sie war fünfzehn. Sie liebte Tiere, sie liebte ihren Hund, sie liebte die Lämmer, aber das hier hatte nichts mit Liebe zu tun.
    »Wach auf!« schrie Rita. Sie spuckte die Worte aus, das Blut rauschte in ihren Ohren, und sie wandte sich bereits ab und blickte sich nach anderen Lämmern um, die bisher verschont geblieben waren, nach dünnen Beinchen und flauschigen, regennassen, blutnassen Fellen, doch sie sah nur Raben, Dutzende von Raben, die sich flatternd über die Kadaver breiteten wie schwarze Decken.

OVIS ARIES

    Niemand weiß genau, wann Schafe nach Santa Cruz eingeführt wurden, aber die ersten Herden, die diesen Namen verdienten, erschienen in den fünfziger Jahren des neunzehnten Jahrhunderts auf Veranlassung von Andrés Castillero, dem ersten Privatbesitzer der Insel, oder vielmehr seinem Agenten James Brown Shaw, einem Mann aus Santa Barbara, den er als Verwalter angestellt hatte. 1836 hatte sich Alta California für kurze Zeit von Mexiko abgespalten, und bei den anschließenden Verhandlungen über die Wiedereingliederung hatte Castillero eine bedeutsame Rolle gespielt. Zum Dank hatte ihn der mexikanische Innenminister auf Anordnung des Präsidenten zum alleinigen Besitzer der ganzen Insel Santa Cruz gemacht. Aus Sicht der mexikanischen Regierung war dies zweifellos ein Geschenk von minderem Wert, denn man fand, die Inseln seien wegen ihrer Trockenheit, Unzugänglichkeit und Entfernung vom Festland nicht von Interesse. Shaw errichtete im Haupttal, etwa fünf Kilometer von Prisoners’ Harbor an der Nordküste entfernt, ein Haus und mehrere Nebengebäude und brachte Rinder, Pferde und Schafe auf die Insel. Wenige Jahre später fielen ganz Kalifornien sowie Texas, New Mexico, Nevada, Utah und Arizona im Vertrag von Guadelupe Hidalgo an die USA, und Castillero, der sich seiner Besitzrechte begreiflicherweise nicht mehr sicher war, gab am 25. Mai 1858 folgende Anzeige im Daily Alta California auf:
    ZU VERKAUFEN: Eine Insel mit etwa 60 000 Morgen

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