Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Grün war die Hoffnung

Grün war die Hoffnung

Titel: Grün war die Hoffnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
Vom Netzwerk:
sich fühlt.
    Dave LaJoy ist nicht der Typ, der schnell aufgibt. Oder mit Anstand aufgibt. Oder überhaupt aufgibt. Anises Mutter will an Land, sie will auf ihrer alten Farm herumspazieren, darum geht es hier. Er denkt nicht, wie schade es ist, dass sie nicht vor ein paar Monaten mit dem Touristenboot hinausgefahren sind, als jeder auf Gottes weiter Erde willkommen war und sogar auf dem Zeltplatz übernachten durfte – vorausgesetzt, er hatte ein Zelt und eine Genehmigung –, oder dass sie im nächsten April oder Mai oder wann auch immer herkommen können, nur eben nicht jetzt, denn jetzt schaukelt die Paladin vor der Insel auf den Wellen, und er will jetzt an Land gehen. Nachdem sie Scorpion Beach verlassen und das Beiboot an Bord gehievt und festgezurrt haben, fährt er nach Osten, in Richtung San Pedro Point und der anderen Ranch, die dahinter liegt, bei Smugglers’ Cove.
    Anise und ihre Mutter sitzen neben ihm im Cockpit, ihre Hände flattern, und sie reden und reden – »Was für ein Kick!« sagt Rita immer wieder, und dann brechen beide in Gelächter aus –, denn sie genießen das Hochgefühl, den Fettärschen vom Park Service eins ausgewischt, sie an der Nase herumgeführt zu haben. Gut, nicht? Er sieht nicht zurück, aber er kann sich die beiden Gestalten vorstellen, die am Strand zurückbleiben und vielleicht die Hände ringen und einander vorjammern, wie ungerecht die Welt ist. Was machen sie jetzt mit ihrem kleinen Buch und den nagelneuen, blitzenden, vom Steuerzahler bezahlten Handschellen? Er hat Mitleid mit ihnen, wirklich. Aber er beobachtet auch den Horizont und hält Ausschau nach anderen Booten – insbesondere nach dem Kutter der Küstenwache –, denn diese Leute haben immerhin Funkgeräte. Der Motor summt. Das Wetter bleibt schön. Es ist halb zwölf, und alles ist gut, die Klippen schirmen ihn nach rechts ab, und vor ihnen liegt der Ozean in seiner knallblauen leeren wogenden Weite. »Wir versuchen’s in Smugglers’«, sagt er, und Anise sieht ihn an.
    Sie packt gerade ein Sandwich aus, das sie ihrer Mutter reicht – geröstete Paprikaschoten mit Hummus auf Hafer-Haselnuss-Brot, kein Fleisch, obwohl Rita eine unverbesserliche Fleischfresserin ist –, und fragt sich laut, ob das eine gute Idee ist. »Sollten wir die Sache nicht lieber abbrechen, solange wir einen Vorsprung haben?«
    »Scheiße, nein.« Er ist nicht wütend oder enttäuscht, er versucht nicht, sich zu rechtfertigen. Er wird tun, was er tun muss, und niemand wird ihn davon abhalten. »Willst du nicht wenigstens sehen, was die vorhaben? Ich meine, die Situation erfassen ? Wenn wir schlau gewesen wären, hätten wir Toni Walsh mitgenommen.« Er hört das beruhigende Summen des Motors, das Rauschen des Wassers, das der Rumpf teilt. »Was meinst du, Rita?«
    »Ich?« Sie sieht zu ihm auf, in ihren Augen funkelt noch immer Amüsement. »Ich bin dabei, denn das hier ist einfach … ich weiß nicht, wie ich’s sagen soll … erstaunlich. Wirklich erstaunlich.« Sie wendet den Blick ab, beugt sich vor und holt eine Dose Bier aus der Kühltasche unter der Bank. Dann setzt sie sich auf, streckt den Rücken, als wollte sie sich von der Anspannung der Verfolgungsjagd erholen, und öffnet die Dose mit einem triumphalen Knacken. »Ich würde zu gern das Haus sehen«, sagt sie, und ein verführerischer Unterton schleicht sich in ihre Stimme. »Ihr wisst ja, zu unserer Zeit stand es leer – jedenfalls bis diese Jäger sich dort breitgemacht haben. Hat Anise dir je davon erzählt?«
    Hat sie, ja. Sie hat ihm von dem Trauma erzählt, das diese Ereignisse hinterlassen haben. Ritas Freund war zu jener Zeit ein halber Krüppel und konnte nichts tun, und die Besitzer übten Druck auf die Kapitäne der Frachtschiffe aus, damit sie Ritas Auftrag, die Schafe aufs Festland zu bringen, ablehnten, denn sie wollten, dass die Schafe auf der Insel blieben, wo Sportsmänner sehr teure Löcher in sie schießen konnten. Das Schlachten war bereits im Gange, wenn auch unter einer anderen Bezeichnung. Und dann fanden die drei sich auf einmal in einer winzigen Wohnung in Oxnard wieder, genau da, wo sie begonnen hatten, und anstatt sechstausend Morgen Land hatten sie einen Garten, so groß wie ein Schweinekoben, und anstatt keine Altersgenossen und keine Ahnung von Style oder Top-Forty-Music oder von Anspielungen auf Fernsehserien zu haben, die zu kapieren sie ein Jahr brauchte, war Anise plötzlich in einem Klassenzimmer. In verschiedenen Klassenzimmern. Mit

Weitere Kostenlose Bücher