Grün war die Hoffnung
Gedanken: Sie sah Till vor sich, wie er vor dem Krieg gewesen war, Till in Uniform, Till ohne Uniform, im Bett, wo er seinen Körper leidenschaftlich an ihren gepresst hatte. In den ersten beiden Wochen, ja bis zum Vorabend der Taufe, war das Baby nur das Baby , doch schließlich, als sie im Schaukelstuhl am Fenster des einzigen Hauses saß, das sie gekannt hatte, bis ihr Mann sie hinaus ins Leben geführt hatte, als ihre Tochter zufrieden den Sauger der soeben gewärmten Flasche im Mund hatte und ihre Mutter auf müden Füßen hereingeschlurft kam, um ihr eine Tasse Tee zu bringen, kam sie zur Besinnung: Sie hatte keinen Sohn, sondern eine Tochter, und Till war jetzt ein Geist. In diesem Augenblick bekam das Baby seinen Namen: Sie würde es Katherine nennen, nach der sanftmütigen Frau mit dem leidenden Gesicht und dem freundlichen schmalen Lächeln, die Tasse und Untertasse balancierte, als wäre sie im Begriff, beides mit einem Taschenspielertrick verschwinden zu lassen, und dabei keinen Augenblick den Blick von ihr wendete.
Männer kamen zu Besuch, Männer, die aus demselben Holz geschnitzt waren wie Warren, doch Beverly ermunterte sie kein bisschen, und nach einer Weile hörten sie auf zu kommen. Beverly hatte nicht vor, ein zweites Mal zu heiraten, nicht einmal ihrer Tochter wegen, denn sie war eine Frau, die nur einem einzigen Mann gehörte, für immer und ewig, und sie würde ihr Leben allein beschließen, um dann im Himmel mit Till und niemandem sonst wiedervereinigt zu sein. Wenn Katherine (oder Kat, wie sie bald genannt wurde, weil sie sich nie von ihrer Plüschkatze trennte – höchstens in der Badewanne und auch dann nur widerwillig) ohne Vater aufwuchs, so war sie, angesichts der Scheidungsrate und der Verluste durch den Krieg, nicht die einzige, und es schien ihr nie etwas auszumachen, jedenfalls nicht, solange sie zur Schule ging. Beverly blieb natürlich nichts anderes übrig, als innerhalb eines Monats nach der Geburt ihrer Tochter wieder arbeiten zu gehen. Sie tauschte die Rollen mit ihrer Mutter, die im Lebensmittelgeschäft kündigte und zu Hause blieb.
Verwöhnte ihre Mutter das Kind? O ja. Die beiden verbrachten, ausgerüstet mit einer Schaufel und einem roten Plastikeimer, endlose Nachmittage am Strand und sammelten Muscheln und Seesterne, sie unternahmen Ausflüge zu den Kanälen, wo sie die Enten fütterten, und aßen Eis und Kuchen im Eissalon. Kat besaß zahllose Spielzeuge, Kleider und Schuhe. Kinder mussten verwöhnt werden – das fand jedenfalls Beverlys Mutter. Und wenn Kat beim Essen eine Geschichte hören wollte, dann bekam sie eben ihre Geschichte. Und beim Zubettgehen und zum Frühstück ebenfalls. Anfangs gab es die Kinderreime, die Beverly selbst als Kind von ihrer Mutter gehört hatte: »Goosey, Goosey Gander«, »Little Jack Horner« und »Mary Had a Little Lamb«, vorgelesen aus ebenjenen abgegriffenen Büchern, die Beverly auf einem besonderen Regalbrett aufbewahrt hatte, bis sie ihr peinlich geworden waren und sie sie in die Garage verbannt hatte. Dann wurden die Geschichten länger, und die drei kleinen Schweinchen und die drei Bärchen waren am Esstisch dabei, und nach dem Abendessen, bevor Beverly das Radio – und in späteren Jahren den Fernseher – einschaltete, lasen sie und ihre Mutter ein Buch nach dem anderen vor, und immer noch wollte Kat mehr und mehr hören. Nach den Kinderreimen kamen Dick und Jane und Pu der Bär und andere, und als Kat in die Vorschule kam, begann sie bereits, selbst zu lesen.
Die Schule begeisterte sie. Sie war eine eifrige Schülerin, die sich in jede Arbeit versenkte, ganz gleich, wie langweilig oder frustrierend diese ihren Klassenkameraden erschien. Ihre Noten waren hervorragend. Als in der sechsten und dann in der siebten Klasse die Leistungsprüfungen abgehalten wurden, war sie stets unter den Besten. Sie war ein glückliches Kind. Sie blühte und gedieh. Und dann kam die Pubertät und traf sie mit der unvermittelten Gewalt eines Meteors. Eben noch war Kat ein kleines Mädchen mit einem Minnie-Maus-Barett gewesen, und mit einemmal hatte sie eine Figur, und nach Schulschluss hingen Jungen vor dem Haus herum, jüngere Versionen der Männer, die für Beverly geschwärmt hatten, doch Kat schien sich nie für einen von ihnen zu erwärmen und vernachlässigte nie, nicht einmal am Tag des Abschlussballs, ihre Hausaufgaben. Beverly hoffte, dass Kat ein College würde besuchen können, vielleicht sogar mit einem Stipendium, denn sie war
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