Grün war die Hoffnung
die Arme aus, bis das Publikum sich beruhigt.
»Und jetzt«, ruft er mit ganz veränderter Stimme – sie ist volltönend und sonor, die Stimme eines Anreißers, eines Conférenciers –, »der Augenblick, auf den Sie gewartet haben … Meine Damen und Herren, liebe Zwerge und kleine Fische, begrüßen Sie nun das Wunder aus den Sümpfen von Louisiana, den Löwen der Bayous, den Mann mit der größten Stimme und dem größten Herzen im ganzen Musikgeschäft: MICAH … STROUD!«
Obwohl sie nicht zu den Menschen gehört, die stets auf der Hut sind, die stets genau wissen, was um sie herum geschieht, und mit allen fünf Sinnen wahrnehmen, was die Welt ihnen bringt, rührt sie sich nicht, sieht sie sich nicht um, tut sie während der ersten drei Stücke nichts, als im Rhythmus zu nicken und mit dem Fuß zu wippen. Er steht allein auf der Bühne, mit der akustischen Gitarre, die Band wartet in den Kulissen, denn im Augenblick gibt es, in Umkehrung der üblichen Reihenfolge, nur Micahs Stimme und seine Gitarre. Ihre Mutter sitzt neben ihr, doch Alma ist sich dessen gar nicht bewusst; die Songs, die für sie etwas so Persönliches sind, als wären sie für sie allein geschrieben, packen sie und tragen sie an einen ganz anderen Ort. Und so sollte es ja auch sein. Deswegen ist sie gekommen. Deswegen konzentriert sie sich ganz und gar auf Micah, der sich über die Gitarre beugt, bis die steife, glänzende, sorgfältig frisierte Tolle sich löst und glitzernde Schweißtropfen in das Spitzbärtchen rinnen.
Er beginnt mit »Loggerhead Blues«, einem langsamen, trottenden Blues, der in den synkopierten lebhafteren Rhythmus von »Dip and Rise« übergeht und schließlich in die tragische Klage »Minamata« mündet, mit ihren Bildern von missgestalteten Kindern, die in das Fruchtwassermeer zurückkehren, aus dem sie gekommen sind, bis das Methylquecksilber aus der Umwelt verschwunden ist, aus den Eiern ihrer Mütter und den Samen ihrer Väter, und sie wieder erscheinen können, heil und unversehrt, um in reiner Freude mit winzigen Fingern und Zehen zu winken. Sie wiegt sich hin und her. Sie denkt nicht, sie empfindet nur, denn hier ist ein Mann, der versteht, der für die Umwelt kämpft, der, wenn er nur Bescheid wüsste, aufstehen und all seine Kraft und seinen Einfluss einsetzen würde, um sie und Tim und alles, was sie erreichen wollen, zu unterstützen.
Und dann, als die anderen Mitglieder der Band aus den Kulissen treten und Micah sich die Elektrogitarre umhängt und der Drummer mit seinen zwei helleuchtenden Stöcken den Takt schlägt, denkt sie doch und fragt sich, ob er je auf den Inseln war, ob er sich des Ernstes der Lage bewusst ist und weiß, was auf dem Spiel steht. Sie sieht zu ihrer Mutter, der das Konzert zu gefallen scheint, und dann wieder auf die Bühne, wo die ersten Akkorde von »Swamp Saviour« mit der Wucht eines atmosphärischen Phänomens erklingen, doch sie ist jetzt gar nicht mehr in diesem Saal – nein, sie ist auf der Insel, Micah Stroud ist bei ihr, und gemeinsam nehmen sie die Schäden in Augenschein, die die Schweine angerichtet haben, beugen sich tief hinunter und betrachten die gefangenen Füchse in der Ruhe und Sicherheit ihrer Käfige. Sie fragt ihn, ob er nicht einen Song für dieses Projekt schreiben könnte, eine Hymne über die Rettung und Erlösung der Natur, und er neigt sich zu ihr, und das Sonnenlicht blitzt in seinen Augen, als er sagt: Na klar, mach ich, und dazu spende ich alle Einnahmen aus diesem Song für die gute Sache. Na, was sagst du dazu? Ist das gut genug? Nein? Okay, dann leg ich noch einen Scheck drauf … aber nur, wenn’s da eine kleine Gegenleistung gibt, denn weißt du eigentlich, wie unwiderstehlich du bist? Machst du auch mal Urlaub? Ich meine, hättest du Lust, mit auf Europatournee zu gehen? Stockholm? Warst du schon mal in Stockholm …?
Vier Stücke zusammen mit der Band, dann wird die Bühne dunkel, beleuchtet nur noch von einem einzigen Scheinwerfer. Er dreht sich einen Moment um, verschwindet im Schatten, um die Gitarre zu wechseln – jetzt ist wieder die akustische dran –, und tritt dann an das altmodische Standmikrofon, das zu seinem Markenzeichen geworden ist, um sich zu erkundigen, ob es allen gutgeht. O ja. Allen geht’s gut. Sogar Almas Mutter, die, als das Publikum bestätigend brüllt, einen Kriegsschrei aus den sechziger Jahren ausstößt. »Heiße Stadt«, murmelt Micah und wischt sich mit einem schlaffen Handtuch den Schweiß vom Gesicht.
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