Grün war die Hoffnung
nach dem Krieg und so, dem Zweiten Weltkrieg, meine ich –, doch sie kannte ihn gut genug, um zu sehen, dass er ebenso schockiert war wie ihre Mutter, schockiert und gekränkt. Ältere Leute, dumme und engstirnige Menschen mit fetten weißen Gesichtern und Fünf-Dollar-Haarschnitten mochten ihn verspotten, weil er sich eigenartig kleidete und ein Hippie war, aber damit kam er zurecht. Rassismus dagegen war etwas anderes. Seine Familie lebte seit fünf Generationen in Amerika, er war genauso amerikanisch wie jeder andere auch, seine Eltern waren wohlhabend und betrieben in Santa Barbara einen Fischgroßhandel, und er würde seinen Platz in der amerikanischen Gesellschaft einnehmen, ob es gewissen Leuten nun gefiel oder nicht. Und wenn er auf die Straße ging und gegen den Vietnamkrieg demonstrierte, so war das sein verbrieftes Recht. Ebenso wie die Entscheidung, was er anzog, welche Platten er hörte und welche Drogen er seinem Körper mit dem freiesten Willen der Welt zuführte. Das war Greg. Das war seine Sicht der Dinge. Und wenn das Leben ein einziger Kampf war, nun, dann war es eben so. Kat hatte das Gefühl, als bekäme sie keine Luft mehr. Ihre Gedanken sprangen von einer Misslichkeit zur anderen wie ein Grashüpfer auf einem heißen Bürgersteig. »Komm«, flüsterte sie, nahm seine Hand und zog ihn herein.
Mit hängenden Schultern und gesenktem Kopf folgte er ihr steif ins Wohnzimmer, wo ihre Großmutter im Sessel saß und sich eine Seifenoper ansah.
Kat nahm ihm die Geschenke ab und legte sie auf das Sofa. Dann erhob sie die Stimme, damit ihre Großmutter sie hören konnte, und sagte: »Ich möchte dich meiner Großmutter vorstellen. Oma, das ist Greg.«
Im Lauf des vergangenen Jahres hatte sich der Geist ihrer Großmutter verwirrt, das Gesicht war unbeweglich geworden, die Augen blickten stumpf, die Hände lagen zitternd in ihrem Schoß. Mit Mühe hob sie den Blick und das bebende Kinn. Greg beugte sich vor und streckte die Hand aus. »Freut mich, Sie kennenzulernen«, murmelte er, doch sie starrte nur auf seine Hand und erwiderte nichts.
»Greg ist mein Freund, Oma – ich hab dir von ihm erzählt«, sagte Kat, und plötzlich fröstelte sie, von einem kalten Hauch getroffen, als wäre das Haus ein Gletscher, der sich gerade unwiderruflich spaltete. Sie wandte sich zu Greg und sagte: »Oma ist ein bisschen schwerhörig« – ein Lächeln –, »stimmt’s, Oma? Aber meine Mutter … ich glaube, sie zieht sich gerade was Hübscheres an. Warte hier, ich hole sie.«
Seine Stimme klang gepresst – auch er steckte in der Gletscherspalte. »Bemüh dich nicht«, sagte er.
Ihr gefiel der Gedanke, dass sie während dieses Urlaubs in Mexiko mit Alma schwanger geworden war, aber das konnte nicht sein, denn Alma kam erst im Oktober, also musste es passiert sein, als sie wieder auf dem College waren. Jedenfalls wurde sie schwanger, obwohl sie die Pille nahm und ihr nicht einmal ansatzweise bewusst war, dass sie auch nur den leisesten Wunsch verspürte, ein Kind zu bekommen – jedenfalls jetzt noch nicht. Diese Schwangerschaft schloss sie in den Gletscher ein, bis dieser sie wieder freigab. Sie konnte nicht zurück nach Hause. Und sie ging auch nicht zurück nach Hause. Sie machte die Abschlussprüfung (ihre Mutter weinte bei der Zeremonie, ohne den Grund oder das Ausmaß ihres Kummers zu kennen), und dann zog Kat mit Greg nach Santa Barbara. Er arbeitete auf einem der Boote seines Vaters und tauchte vor der Südküste von Santa Cruz nach Hummern und Abalone.
Anfangs wohnten sie bei Gregs Eltern auf der Mesa, gleich oberhalb des Yachthafens, doch trotz der Größe des Hauses – weitläufig und altmodisch, mit Veranden und Balkons und Ausblicken auf das Meer durch die nach Süden und Osten gelegenen Fenster – ging es dort recht beengt zu. Da waren Gregs fünf Geschwister, allesamt jünger als er und fortwährend in geschwisterliche Rivalitäten verstrickt, da waren seine Großmutter väterlicherseits, zwei unverheiratete Onkel und eine bunte Mischung aus Hunden, Katzen und in Käfigen gehaltenen, grässlich schreienden Vögeln. Obwohl Greg und sie ein eigenes Zimmer hatten, fühlte Kat sich dort nicht heimisch. Ihre Schwiegermutter wehrte jedes Angebot zur Mithilfe im Haushalt ab – Kat durfte weder Gemüse schneiden noch abwaschen oder auch nur den Abfall hinausbringen, und jedesmal, wenn sie sich auf das Sofa setzte oder die Küche betrat, fühlte sie sich wie ein Eindringling, was sie ja auch tatsächlich
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