Grün war die Hoffnung
Hübsche. Das Mädchen. Sie ist so schlank und sehnig wie seine Greyhounds, aber sie greift so schnell an, dass er nicht mal Zeit hat, sein Gesicht mit den Händen zu schützen. Ihre Faust ist die Verkörperung ihres Willens und trifft ihn dreimal rasch hintereinander, bevor er ihre Handgelenke zu fassen bekommt. Mit verzerrtem Gesicht spuckt sie ihn an. »Du!« schluchzt sie. »Du bist schuld – du hast sie umgebracht! Du!«
Joshs Stimme scheint in seiner Kehle gefangen zu sein. »He«, sagt er. Nur das: »He«, so leise wie ein fallendes Blatt.
Worüber streiten sie eigentlich? Was soll das bringen? Was soll überhaupt irgendwas bringen?
Cammy beruhigt sich. Er lässt ihre Handgelenke los. Der Abend senkt sich herab. Der Leichnam zu seinen Füßen scheint anzuschwellen und zu wachsen, bis er alles verbleibende Licht aufsaugt. Die Gesichter der beiden vor ihm verschwimmen, so dass Josh Cammy und Cammy Josh sein könnte. Aus dem Nichts erscheint eine Schwadron Fledermäuse, die im Zickzack durch die Leere über ihnen fliegen.
»Wir müssen sie hier wegbringen«, sagt er schließlich, denn er ist jetzt vernünftig, sie alle sind vernünftig, sie müssen es sein. »Ich meine, wir müssen sie in irgendwas einwickeln« – und obwohl er bis auf die Haut durchnässt ist und weder Finger noch Zehen spürt, zieht er bereits den Regenponcho aus – »und zurück zum Boot tragen. Und dann werden wir sehen, was wir … na ja, was wir dann …« Er spricht nicht weiter.
Aber so einfach ist das nicht. Während Toni und Suzanne am gegenüberliegenden Ufer den Hügel ersteigen und dann an der Felswand herunterklettern – es ist ein kleines Wunder, dass sich dabei keine etwas bricht –, wickeln er und Josh den Leichnam in ihre Ponchos und binden die Enden so gut es geht mit einem von seinem Tagesrucksack geschnittenen Riemen und zwei Ersatzschnürsenkeln zu. Das Gelände ist unwegsam und die Last extrem unhandlich. Josh trägt das eine Ende, er das andere, Cammy ist in der Mitte. Was in der Hülle ist – der malträtierte Körper, das sich sammelnde Blut –, verrutscht immer wieder, verschiebt sich, will entgleiten, und er muss seine ganze Kraft aufwenden, um es – sie – auf die Felsen zu heben. Für einen Augenblick ist alles in der Schwebe, jeder Atemzug ein Lechzen nach dem Ende dieser Mühsal, und dann lässt er sie vorsichtig auf der anderen Seite hinunter, wo Josh steht, in der Dunkelheit kaum zu erkennen. »Vorsichtig, ganz vorsichtig. Hast du sie?«
Stimmen im Dunkeln. Das Rauschen des Wassers, das Donnern der Brandung. Jetzt stehen auch er und Cammy auf dem Strand, und zu dritt bilden sie ein sechsbeiniges Monster, das über den Sand kriecht, jeder Schritt eine Unmöglichkeit, doch sie schaffen es, sie bis zum Spülsaum zu tragen und so sanft abzusetzen, als wäre sie noch lebendig und schliefe den Schlaf der Genesung. Unvermittelt sind Suzanne und Toni Walsh ebenfalls da, ihre Gesichter schweben in der Dunkelheit. Mein Gott , sagt Suzanne immer wieder. Er lässt sie stehen, ihre Stimmen sind rauh wie das Rascheln trockener Blätter. Es herrscht vollkommene Finsternis. Er watet in die Brandung und riskiert es zu rufen: »Wilson! Wilson, bist du da?«
Nichts. Es müsste wenigstens ein Licht zu sehen sein. Er strengt sich an, er müht sich, den schwachen grünlichen Schimmer des Steuerbordlichts auszumachen, und denkt, dass er eine Taschenlampe brauchen wird, um ein Signal zu geben, und ob wohl jemand daran gedacht hat, eine Taschenlampe mitzunehmen? Suzanne vielleicht. Sie hat Cookies gebacken. Sie war es, in deren Rucksack das säuberlich aufgeschossene Stück Seil, die Schnürsenkel, das Kaugummi waren. Er will sich gerade umdrehen – die Wellen klatschen gegen seine Beine, und er zittert, als stünde er unter Strom –, als er in der Halbdistanz etwas zu sehen glaubt, ein tieferes, schwärzeres Loch in der Schwärze der Nacht. Er hat noch nicht gemerkt, dass er sich täuscht, denn dort ist nichts zu sehen, absolut gar nichts.
EL TIGRE
Am Morgen nach dem Konzert – Sonntag, Gott sei Dank Sonntag – versteht sie nicht, was mit ihr los ist. Die Bettdecke zurückzuschlagen, in der morgendlichen Stille die Beine aus dem Bett zu schwingen, die Textur des Teppichs unter den Zehen zu spüren und von unten, aus der Küche, den aromatischen Duft des gerösteten Kaffees zu riechen, den ihre Mutter bereits aufgesetzt hat, und dann diese Leere in sich zu fühlen, dieses Tasten tief in ihr, das sie zur Toilette
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