Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Grün war die Hoffnung

Grün war die Hoffnung

Titel: Grün war die Hoffnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
Vom Netzwerk:
Plastiktüte nimmt und den Kassenbon hineinsteckt. »Bestimmt«, sagt sie. »Ganz bestimmt.«
    Zu Hause steht ihre Mutter vor der Badezimmertür, während sie versucht zu pinkeln, was ihr aber aus irgendeinem Grund nicht gelingt. Sie sitzt lange auf der Toilette und denkt an Tim und daran, wie sie es ihm sagen wird, denn sie brennt geradezu darauf und ist so gut wie sicher, dass der Teststreifen in ihrer Hand zwei leuchtendrosarote Striche zeigen wird: positiv. Sie könnte ihn natürlich per Funk erreichen, aber was sollte sie ihm dann sagen: Wie ist das Wetter bei euch, und übrigens: Ich bin schwanger ? In vier Tagen kommt er nach Hause. Sie wird ihn am Boot abholen, seine Hand nehmen, ihn die Treppe hinauf ins Docksider führen, eine Nische aussuchen, ihm ein Firestone und einen Teller fritierte Kalamari bestellen, ihm tief in die Augen sehen und geheimnisvoll lächeln. Was ist? , wird er sagen und in Erwartung des Witzes lächeln. Und sie wird noch ein bisschen mit ihm spielen, unter dem Tisch über seinen Oberschenkel streichen und sich zu ihm beugen, um ihn zu küssen. Sie wird sich Zeit lassen. Den Augenblick genießen … Aber sie eilt voraus, nicht? Denn sie hat noch immer nicht in den Becher gepinkelt und den Teststreifen hineingehalten. Noch weiß sie es nicht, jedenfalls nicht mit Sicherheit.
    »Alma?« Sie spürt, dass ihre Mutter von einem Fuß auf den anderen tritt, der Boden übermittelt diese Bewegung durch die Badezimmerkacheln an ihre Fußsohlen. Plötzlich kommt sie sich lächerlich vor, wie ein kleines Kind: Ihre Mutter steht dort draußen und lauscht auf das Plätschern ihres Urins, wie sie es wohl vor all den Jahren im Haus der Takesues oder vor der schrecklich engen Toilette der Black Gold getan hat. Erziehung zur Sauberkeit nennt man das.
    Sie holt gerade Luft, um »Noch nicht« oder »Lass mir ein bisschen Zeit« zu sagen, als der Urin fließt, warm und unvermittelt. Sie kann gerade noch den Becher in den Strahl halten, um etwas davon aufzufangen – für einen Augenblick hat sie sich in Träumen verloren und den Sinn und Zweck dieser Aktion vollkommen vergessen –, und da ist er nun, ihr Urin: Zwei, drei Zentimeter hoch steht er in dem Plastikbecher, den der Hersteller des Schwangerschaftstests zuvorkommenderweise beigelegt hat. Noch bevor sie aufsteht, um sich die Hände zu waschen, steckt sie den Teststreifen hinein und stellt den Becher auf die Kacheln zwischen ihren schlanken, leicht nach außen gekehrten Füßen. »Alma?« ruft ihre Mutter und rüttelt jetzt an der Klinke. »Spann mich nicht auf die Folter.«
    Die Sekunden verticken. Nichts geschieht. Ihr Herz klopft, sie fühlt sich schwach und fiebrig, beugt sich vor, hebt den Becher auf und schüttelt ihn ein wenig – vielleicht muss man ihn schütteln, denkt sie, vielleicht gab es noch keinen ausreichenden Kontakt zwischen Urin und Teststreifen oder sie hat sonst irgend etwas falsch gemacht –, als plötzlich unter der ersten Linie eine zweite erscheint, so rosarot wie Zuckerwatte.
    Ihre Mutter besteht darauf, das Ereignis zu feiern, nur sie beide (»Und Ed braucht es erst zu erfahren, wenn es wirklich sicher ist – solange kann er einfach vor dem Fernseher sitzen und sich seine Baseballspiele ansehen«), und sie lädt Alma zu einem Sonntagsbrunch in das Hotel am Ende der Straße ein, denn sie muss jetzt für zwei essen, und sie darf auch eine Mimosa trinken, nur eine, und das ist dann der letzte Alkohol für die nächsten neun Monate. »Er wird dir nicht fehlen, Schätzchen, glaub mir. Ich hoffe nur, dass du nicht mein – wie würdest du sagen? –, mein Faible für morgendliche Übelkeit geerbt hast. Oder vielmehr morgendliche, mittägliche und abendliche Übelkeit«, fügt sie mit einem Lachen hinzu. »Aber jeder ist anders, jede Schwangerschaft ist anders, und dir wird’s bestimmt prima gehen.«
    Sie sitzen auf der Hotelterrasse und blicken über den manikürten Rasen und den Asphaltstreifen der Straße auf den Strand, gegen den wie seit unvordenklichen Zeiten die Wellen anbranden. Der Salzgeruch ist stark, und was das wimmelnde ozeanische Leben an Symbolik enthält, steht ihr so deutlich vor Augen, als würde sie mit Maske und Schnorchel im Meer tauchen. Sie beginnt zu zweifeln. Will sie das alles wirklich? Gibt es auf diesem verwundeten, geschundenen Planeten wirklich Platz für noch ein hungriges Maul? Und Tim. Was ist mit Tim?
    »Woran denkst du?« fragt ihre Mutter. Sie hat beide Ellbogen auf die Tischplatte

Weitere Kostenlose Bücher