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Grün war die Hoffnung

Grün war die Hoffnung

Titel: Grün war die Hoffnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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rennen lässt, wo sie auf die Knie sinkt, um sich nun schon den zweiten, nein, den dritten Tag hintereinander zu übergeben, ist nicht in Ordnung, ganz und gar nicht in Ordnung. Ein Kater kann es nicht sein, denn sie hat am Vorabend nur zwei Gläser Wein getrunken, und das würde auch nicht die Übelkeit von gestern oder vorgestern erklären, als sie, nur aus Geselligkeit, zwei oder drei Gläser Sake mit ihrer Mutter und Ed getrunken hat. Wird sie jetzt überempfindlich gegen Alkohol, ist es das? Oder bekommt sie eine Grippe? Zwei Zeilen eines Songs, den Micah Stroud gecovert hat, schießen ihr durch den Kopf – I got the rockin’ pneumonia and the boogie-woogie flu –, und im nächsten Augenblick zieht sie Shorts und T-Shirt an und geht die Treppe hinunter, als wäre nichts geschehen.
    »Du siehst müde aus«, ist das erste, was ihre Mutter zu ihr sagt, als sie in die Küche tritt. Ed ist offenbar noch nicht aufgestanden, aber sein Gedeck steht schon da: Kaffeetasse und Untertasse, Orangensaft, eine halbe Grapefruit glänzt rosarot im gleißenden Licht der Lampen, deren Dimmer bis zum Anschlag aufgedreht ist, und daneben liegt wie eine Opfergabe die Zeitung. »Hast du schlecht geschlafen? Also ich jedenfalls fühle mich, als hätte ich nicht länger als fünf Minuten geschlafen – diese Schnellstraße ist so laut. Ich weiß nicht, wie du das aushältst.«
    Alma steht vor dem Kühlschrank, starrt desinteressiert auf die Milch und die Säfte in den bunten Kartons, auf das Stück Käse unter faltiger Folie und den Teller mit irgendwelchem Zeug, das sich an den Rändern braun verfärbt, und fühlt sich mit einemmal zu erschöpft, um zu antworten.
    »Wenn du es genau wissen willst: Du siehst aus, als hättest du nicht genug Schlaf gekriegt – das ist der Job, stimmt’s? Er macht dich fertig. Du hast dir schon immer viel Sorgen gemacht, schon als kleines Mädchen, über Sachen, an denen du nichts ändern konntest, als könntest du persönlich jedes Tier heilen und, ich weiß nicht, jede Maus und jede Eidechse retten, die die Katze angeschleppt hat.«
    Ihre Mutter – in ihren Händen hält sie plötzlich zwei Eier, die sie über einer Rührschüssel aufschlägt, wobei sie Eigelb und Eiweiß trennt – erwartet eigentlich keine Antwort. Sie redet nur, um sich zu hören, es ist eine einsame Uhrzeit an einem grau verhangenen Morgen, und sie ist wach und geht in der Küche ihrer Tochter hin und her.
    »Ist das für Ed?« fragt Alma und setzt sich an den Tisch. »Der Saft, meine ich.«
    »Ich kann dir Eier machen. Willst du Eier? Du isst doch Eier, oder?«
    »Nein«, sagt sie und ist unvermittelt verärgert, »nein, ich will keine Eier.«
    »Du brauchst mich nicht gleich so anzufahren.«
    »Ich fahr dich doch gar nicht an.«
    »Doch!«
    »Nein«, beharrt sie, streckt die Hand nach Eds Saft aus und zieht das Glas mit einem leisen zischenden Geräusch über die Tischplatte zu sich. »Ich habe einfach keinen Hunger, das ist alles.«
    Die Eierschalen liegen auf der Küchentheke. Die Uhr am Herd zeigt 6:17. Ihre Mutter legt entschlossen den Schneebesen beiseite, dreht sich um und mustert sie. Drei Schritte in ihren Clogs, und sie beugt sich über Alma, legt ihr die Hand auf die Stirn und sieht ihr forschend in die Augen. »Ist alles in Ordnung?«
    Gerade als sie sagen will, dass es ihr tatsächlich nicht so gutgeht und sie sich eben auf der Toilette im ersten Stock übergeben hat und ihr Kopf sich anfühlt, als würde er sich jeden Moment von ihren Schultern lösen und durch den Raum schweben, begreift sie, was eigentlich los ist, und zieht den naheliegenden Schluss, zu dem jede andere Wissenschaftlerin, die seit eineinhalb Jahrzehnten biologische Prozesse untersucht, sofort gekommen wäre.
    »Mom?« Sie sagt es laut, doch ihre Stimme kommt ihr irgendwie elastisch vor, angespannt, dehnbar wie weicher Karamel. Die Wahrheit – die Erkenntnis – dringt wie ein unbezähmbarer Strom zu ihr durch, aber die Worte, mit denen sie sie aussprechen könnte, scheinen ihr in der Kehle steckenzubleiben.
    Ihre Mutter sieht sie an. »Ja?« sagt sie. »Was?«
    »Wie hast du … ich meine, wie hast du damals gemerkt, dass du schwanger warst?«
    In ihrer Eile, in Longs Drugstore zu sein, wenn sie öffnen – sonntags um acht Uhr –, hat sie kaum etwas anderes im Kopf als die Verwunderung über diesen Augenblick, über das, was mit ihr geschieht oder geschehen könnte. Sie muss drei Blocks weit gehen, vorbei an der Stelle, wo sie das

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