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Grün war die Hoffnung

Grün war die Hoffnung

Titel: Grün war die Hoffnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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als er noch ein kleiner Junge war, nur dass ihr Spielanzug tief ausgeschnitten ist und zeigt, was sie zu bieten hat. Sie hat sich die Tasche über die Schulter gehängt und hält in jeder Hand eine Flasche Wein, die eine rot, die andere weiß. »Einen Cambria und einen Martha’s Vineyard, Schatz. Meine Lieblingsweine.« Sie schiebt den Strohhut in den Nacken, drückt ihm einen Kuss auf die Wange und rümpft die Nase. »Was ist das für ein Geruch?«
    »Die Kaninchen. Hast du das vergessen? Heute ist doch ihr großer Tag.«
    Sie hockt auf allen vieren vor dem Käfig, macht küssende Geräusche und spricht in einer Art Babysprache mit den hirnlosen, mümmelnden Tieren, die sich an das Gitter drücken, als bestünde ihre Welt nur aus Draht. »Ach, ihr armen kleinen Häschen, eingesperrt in diesem schrecklichen Käfig. Keine Angst, ihr süßen Kleinen, niemand wird euch fressen, nicht solange Mama da ist und aufpasst.«
    Er betrachtet sie mit echtem Interesse: Der Rocksaum ist noch weiter hinaufgerutscht, und die Brüste hängen schwer herab – das Wort »Hündchenstellung« fällt ihm ein. Wie lange ist es eigentlich her, dass sie Sex hatten? War das letztes Wochenende? Vor sieben langen Tagen? Drei Schritte, und er beugt sich über sie und späht ebenfalls in den Käfig, wobei seine Hand nach ihrer Körperwärme tastet, nach der Stelle unter dem Rocksaum, nach dem straff gespannten Satin ihres Höschens. »Mmh«, macht sie und drückt, die Hüften wiegend, gegen seine Hand, »das fühlt sich gut an.«
    Sie pressen sich aneinander, Mund an Mund, Unterleib an Unterleib. Anise lehnt an der Wand, und alles in ihm ist angespannt wie eine Bogensehne, als mit einemmal Wilson in der Tür steht. »He, he, sofort aufhören«, ruft er wie der Klassenclown, der er war und noch immer ist, »sonst kommen wir nie aus dem Hafen.« Und dann, zu Alicia, deren Gesicht neben dem seinen erscheint, so dass es aussieht, als blickten die beiden in einen Brunnen: »Weißt du, was hier abgeht? Die drehen einen Pornofilm, nur dass sie die Kamera vergessen haben.«
    Auch Alicia hat Wein mitgebracht, einen ganzen Korb, aus dem die Flaschenhälse ragen, und als sie in ihren engen weißen Shorts die Treppe hinuntergeht, kommen ihre Beine gut zur Geltung. Wilson trägt auf der Schulter einen Kasten Dos Equis und hält in der anderen Hand eine Einkaufstüte voller Tortilla Chips und Avocados. »Ohne Chips und Guacamole«, verkündet er und stellt die Tüte auf den Tisch, »ist es keine Party. Und wir wollen doch eine Party, stimmt’s, Alicia?«
    Bevor sie etwas antworten kann, bevor sie Anise den Korb überreichen oder auch nur hallo sagen kann, hat er sie umarmt und lässt parodistisch die Hüften kreisen. »Wir brauchen doch keinen, der uns zeigt, wie das geht, oder, Baby?«
    Dave ist entspannt, oder jedenfalls so entspannt, wie er sein kann, denn das ist nicht gerade seine Stärke, und so lässt er Wilson gewähren, anstatt ihm zu sagen, dass er mit dem Quatsch aufhören soll. Er lächelt, legt den Arm um Anises Taille und sagt: »Das wollen wir mal abwarten. Wie ich dich kenne, schnarchst du schon, kaum dass wir zehn Minuten auf See sind.«
    Wilson ist plötzlich in Bewegung, lässt Alicia los, stellt den Korb auf den Tisch, breitet die Arme aus und zuckt betont die Schultern. »Kann schon sein, Captain, aber wenn es soweit ist« – er zwinkert Alicia zu –, »bin ich wieder voll da.«
    Alles ist gut, alles ist heiter, alles ist schön. Sie lächeln einander an, alle vier, und er denkt, wie großartig es ist, so etwas tun zu können: sich ausklinken, sich Zeit nehmen, sich entspannen und das Leben auf sich zukommen lassen, anstatt ihm immer nur nachzujagen. Von Kindheit an hat er solche Ausflüge gemacht, und nichts, was man für Geld bekommen kann, ist mit der Aufregung zu vergleichen, die einen überkommt, wenn man den Proviant an Bord schafft und in aller Ruhe in den genialen Schränken verstaut, die zu genau diesem Zweck dort eingebaut sind – »Klarschiff machen«, hat seine Mutter das immer genannt –, wenn man dann den Motor anlässt und die Leinen losmacht, bei strahlendem Sonnenschein oder kaltem, feuchtem Nebel oder Regen, der wie tausend Finger auf das Dach der Kajüte klopft, und mit halber Kraft, im Herzen nichts als Vorfreude, aus dem Hafen fährt. Als er noch zur Schule ging und das tägliche Einerlei, die Semesterarbeiten und die Prüfungen ihm so zusetzten, dass er sich fühlte, als wäre er unter dicken Schlammschichten

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