Grün war die Hoffnung
ich nicht. Will ich auch nicht bezweifeln. Denen hier jedenfalls wird’s prima gehen.« Und das ist seine Vision – er sieht es direkt vor sich –, die jetzt Wirklichkeit werden wird, denn er bringt die Schlangen an einen Ort, wo ihnen nichts und niemand etwas tun wird und sie wachsen und gedeihen können, bis sie die Schwanzklappern verlieren, und wenn das nicht Naturschutz ist, dann weiß er nicht, was Naturschutz sonst sein soll.
»Komm schon. Nur eine. Ich will mir bloß eine einzige ansehen.« Wilsons Augen – das ist ihm noch nie aufgefallen – beben leicht. Es ist eine ganz leise Bewegung, wie die der lautlosen Schlangen in der nachgiebigen Enge der Säcke.
»Ich hab nein gesagt. Kannst du mich hören? Spreche ich laut genug für dich?«
Wilson strafft die Schultern, und er zieht die Mundwinkel nach unten. Er streicht sich über den Spitzbart, als würde er nachdenken, steht auf, steckt die Seekarte wieder in das Gestell und nimmt die leere Bierflasche, alles in einer einzigen Bewegung. »Na gut, scheiß drauf. Aber ich gehe jetzt runter und hole mir noch ein Bier, und wenn ich dabei zufällig eine Schlange zu Gesicht kriege, ist das meine Sache, richtig?« Er dreht sich um, legt die freie Hand auf das Treppengeländer und verschwindet in der Kajüte.
Dave ist gelassen. Er war den ganzen Tag, die ganze Woche gelassen, aber das hier geht eindeutig zu weit, denn Wilson kann ein solches Arschloch sein, und dabei ist er doch bloß ein Zimmermann und ein Schlaumeier, der meint, er darf jedem auf den Geist gehen, wann immer er will, und bevor er sich besinnen kann, ist Dave aufgesprungen, läuft polternd die Treppe hinunter und brüllt: »Nein, Irrtum, du Sack – es ist mein Boot und meine Sache!«
Die Tokachi-maru , ein 12 000-BRT-Frachter mit Heimathafen Nagoya, mit einer Ladung aus Textilien und Maschinenteilen aus chinesischer Produktion unterwegs nach Long Beach, war eines der ältesten Schiffe unter japanischer Flagge. Sie war in den späten Sechzigern gebaut worden und seither, abgesehen von kurzen Liegezeiten und Aufenthalten im Trockendock, ununterbrochen auf See gewesen. Von der Wasserlinie bis zur sechs Decks darüberliegenden Brücke war sie mit Rost überzogen, und obwohl man Rumpf und Aufbauten an vielen Stellen mit Anstrichen versehen hatte (hauptsächlich in Elefantengrau und schmutzanziehendem Weiß), sah sie aus wie ein Seelenverkäufer und war der Schandfleck eines jeden Hafens. Aber sie brachte ihren Eignern Geld, und diese waren entschlossen, sie so lange fahren zu lassen, bis die Grenze der Wirtschaftlichkeit erreicht war – oder besser noch, bis sie in einem vom Himmel gesandten Taifun irgendwo in der Südsee auf den Grund des Meeres sank, voll versichert natürlich und ohne Verluste an Menschenleben. In Anbetracht der zurückgelegten Seemeilen und der vielen Jahre auf See hatte es an Bord erstaunlich wenige Unfälle gegeben (nur die üblichen Knochenbrüche, Herzinfarkte und Alkoholvergiftungen, und einmal, in den späten achtziger Jahren, war vor der Küste von Georgia ein Mann über Bord gegangen und leider nie gefunden worden), und trotz ihrer Hässlichkeit und der Probleme, die zugerostete Schotten und eine Kombüse bereiteten, die nur über den beim Bau des Schiffs installierten vierflammigen Gasherd und drei uralte Mikrowellenherde verfügte, waren ihre Instrumente auf dem neuesten Stand, und Kapitän Noboru Nishisawa, Neffe des ersten Kapitäns der Tokachi-maru , gehörte zu den umsichtigsten und zuverlässigsten der ganzen Flotte.
An diesem Tag, einem Samstag im Juni, stieß das Schiff, als es von Norden in den Santa-Barbara-Kanal einfuhr, auf dichten Nebel, und Kapitän Nishisawa erschien persönlich auf der Brücke und ordnete als Vorsichtsmaßnahme an, auf halbe Fahrt zu gehen und in regelmäßigen Abständen das Nebelhorn zu betätigen. Im übrigen verließ er sich auf die Instrumente, seine Erfahrung und darauf, dass die schiere Masse des Schiffs einen gewissen Schutz darstellte. Sein Kurs verlief genau in der Mitte des Tiefwasserwegs Süd, und das Radar zeigte keine anderen Schiffe vor ihm an. Im Notfall würde die Tokachi-maru zwei Seemeilen und dreieinhalb Minuten brauchen, um anzuhalten, ihr Wendekreis betrug etwa eine Seemeile. Und von hier oben, sechs Stockwerke über der Wasseroberfläche, konnte man ein kleines Boot selbst unter den besten Wetterbedingungen nur äußerst schwer ausmachen.
So war es eben. Darum gab es ja Schiffahrtsstraßen und Trennzonen.
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