Gründergeschichten
ewig bleiben wird. Er habe immer gesagt, dass er den Job maximal
bis zu seinem 40. Geburtstag machen wolle, erinnert sich Olek. »Ich fand etwas Gesellschaftliches oder Politisches schon immer
interessanter. Und ich sehe auch meine Fähigkeiten nicht darin, etwas von A bis Z durchzuziehen, sondern darin, etwas Neues
anzustoßen, Barrieren zu durchbrechen.« Die Gründerpreis-Auszeichnung als Visionär sei insofern sehr passend gewesen, meint
er im Rückblick.
Olek sieht sich im Unternehmen als Stratege. Eher unwillig packt er auch das ebenso trockene wie wichtige Tagesgeschäft des
Managements an: »Ich habe das gemacht, weil ich von |20| mir erwartete, dass ich es kann, und weil ich verstehen wollte, wie es andere machen. Also musste ich es mir und anderen beweisen.«
Er sei aber auch der Meinung, dass jeder nur das tun sollte, worin er gut sei. »Es interessiert mich einfach nicht, aus einem
Produkt noch mal fünf Prozent herauszuholen. Was mich interessiert, ist der große Vorwärtssprung, in diesem Fall der wissenschaftliche
Sprung mit dem Krebsscreening. Aber wenn so ein Sprung in einer Firma erst einmal geglückt ist, wird halt von da an mit dem
Trippeln begonnen, und Trippeln ist nicht meine Sache. Ob das Produkt nun beispielsweise in einer roten oder einer blauen
Box verkauft wird, das war mir immer egal. Ich kann den großen Sprung besser, und der ist im Übrigen auch lukrativer.«
Auch in den Zeitungsartikeln, die sich im Laufe der Jahre mit den Phänomenen Epigenomics und seinem Gründer beschäftigen,
blitzt diese legere Einstellung ab und zu auf: »Ich muss das hier nicht ewig machen«, zitiert ihn beispielsweise die
Financial Times
bereits im Jahr 2000, übrigens in einem Artikel, der den schmeichelhaften Titel trägt: »Danke Alex, dass es dich gibt«. Und
im
Handelsblatt
erklärt der promovierte Molekularbiologe damals: »Ich war nie einer von jenen Verrückten, die nur an ihre Moleküle dachten
und nie an ihren Geldbeutel.«
Jemand baut jahrelang ein Unternehmen auf, um dann damit zu kokettieren, es jederzeit wieder verlassen zu können. Wie passt
das zusammen? »Wenn es ein privat geführter Familienbetrieb wäre, würde ich nicht so reden. Aber wenn ich von vorneherein
Venture Capital in die Sache hereinhole und das Unternehmen an der Börse notiere, haben am Ende der Finanzierung sowieso irgendwelche
Hedgefonds den Einfluss |21| «, gibt Olek zu Bedenken. »Ist doch ein fairer Deal: Die können mich jederzeit rausschmeißen – warum sollte ich dann lebenslange
Solidarität versichern?«
Anfang 2003 gelingt dem Epigenomics-Führungsteam ein entscheidender Coup: Der Pharma-Riese Roche steigt bei ihnen mit seiner
Tochterfirma Roche Diagnostics ein. Mit einer Partnerschaft, deren Umfang im Erfolgsfall mehr als 100 Millionen Euro betragen
soll, will sich der Baseler Konzern das Know-how auf die neue Diagnose-Technologie sichern und den Zutritt zum erwarteten
Milliardenmarkt. Es ist der bislang größte Erfolg des kleinen Berliner Unternehmens und eine der größten Kooperationen der
Biotech-Branche überhaupt. Marktbeobachter werten den Pakt als Gütesiegel für Oleks Arbeit. Mit dem neuen Geld, hofft der
Unternehmer, könnte die Finanzierung für den geplanten Börsengang ausreichen. Wann das sein soll, das lässt der Unternehmensgründer
vorerst offen. Er ahnt noch nicht, welche Folgen die neue Partnerschaft für ihn haben wird.
Im Juni 2004 gibt Epigenomics schließlich den Termin der Neuemission bekannt: Schon im nächsten Monat soll es soweit sein.
Die Meldung erregt Aufsehen: Seit mehr als drei Jahren hat sich kein Unternehmen aus der für Anleger als sehr riskant geltenden
Branche an den deutschen Aktienmarkt gewagt. Zeitungen schreiben: »Der Börsengang von Epigenomics ist wichtiger als der von
der Postbank für die deutsche Wirtschaftsszene.« Denn Unternehmen wie die Deutsche Postbank würden in Deutschland immer wieder
an die Börse gehen, aber wenn es nicht gelinge, ein Börsenklima für kleine Biotechnologiefirmen zu schaffen, habe man ernsthafte
Probleme. Analysten überrascht, wie kurzfristig das |22| Börsendebüt anberaumt worden ist, die meisten sind sich jedoch einig: Trotz des riskanten Umfelds, obwohl Epigenomics noch
rote Zahlen schreibt und obwohl das Unternehmen noch lange kein marktfähiges Produkt vorzuweisen hat, haben die Berliner beste
Chancen. »Wer, wenn nicht die«, so lautet in etwa das Fazit. Man
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