Gründergeschichten
schon tot.
Als die Firma 1951 endlich ein Auto anschaffen kann, bekommt Reinhold Würth, obwohl erst 16, die Ausnahmegenehmigung, den
Führerschein zu machen.
Es ist, als ob der Vater schon immer etwas geahnt hätte: 1954 stirbt er plötzlich. Herzschlag. Reinhold Würth ist 19, sein
kleiner Bruder zehn Jahre alt, die Mutter Alleinerbin. »Das war ein Eigenkapital von 11 000 D-Mark. Ich war noch minderjährig |249| , damals wurde man erst mit 21 Jahren volljährig.« Aber er traut sich alles zu. Die Mutter hilft im Lager mit, machte Pakete
fertig. Mit der Geschäftsführung übernimmt Reinhold Würth auch die Führung von zwei Mitarbeitern. Einer davon verlässt ihn,
»weil er dachte, das hat ja doch keine Zukunft«, erinnert sich Würth. »Das hat mir schlaflose Nächte bereitet, weil der plötzlich
fehlte. Nachher habe ich gedacht: Das war doch nicht so schlimm.«
Der Weg zum Weltmarktführer »war keine mit Rosen bedeckte Autobahn. Da ging es nicht ohne Schlagloch und ohne Niederlagen
oder ohne Probleme ab«, erinnert sich Würth. Wer abbog, mit dem hat er heute im günstigsten Fall Mitleid. »Fast jedes Mal,
wenn ich in den 60er oder 70er Jahren einen guten, führenden Mitarbeiter verloren habe, war das ein Schock. Wie soll das weitergehen?
Aber wenn man wie ich jetzt immerhin im 58. Jahr für dieses Unternehmen tätig ist, dann weiß man, dass das gar nicht schlimm
ist. Die Position wurde viel besser besetzt, das hat neuen Wind gegeben, Auftrieb.«
Auch der Juniorchef bringt viel neuen Wind in die Firma. Während der Vater auf Sicherheit und Erhalt aus war, entwickelt sein
Nachfolger Visionen. Als Jugendlicher ist Reinhold Würth im Schwarzwald mal allein auf einen Berg gestiegen, mit einem einzigen
Ziel: den Bodensee zu sehen. Aus Neugier. Jetzt, als Jungunternehmer, paart er diese Eigenschaft mit Zielstrebigkeit. Sein
Ziel lautet: Wachstum. Credo und Crux der Kapitalisten. Umsatz minus Kosten gleich Gewinn. Aber die Kosten, sie steigen und
steigen. »Man muss wachsen, weil man sonst untergeht«, sagt Würth.
Schon 1955 gelingt ihm eine Umsatzsteigerung von über 20 |250| Prozent. Würth setzt sich hin und arbeitet detaillierte strategische Pläne aus. Wo will er hin, wie kommt er da hin und wie
sieht das Geschäftsvolumen in zehn Jahren aus? Klingt verrückt, aber Würth weiß genau, was er macht: »Den Aufbau von Visionen,
solchen Zehnjahresplanungen halte ich für einen der wichtigen Erfolgsfaktoren für dieses Unternehmen. Weil man eben ganz genau
weiß: So muss es laufen. Weil man ohne Ziele praktisch im Nebel stochert und einfach mehr oder weniger dem Zufall überlässt,
was die Zukunft bringen wird. Ein Beispiel: Wir hatten 1987 1,4 Milliarden D-Mark Umsatz, und da habe ich gesagt: Im Jahr
2000, in 13 Jahren, könnte ich mir vorstellen, dass wir zehn Milliarden D-Mark umsetzen. Die Reaktion? Schmunzeln, die Leut’
haben gesagt: Der hat schon öfter so’n Zeug gesagt, und hatte nachher Recht, warten wir’s mal ab. Als wir dann die Bücher
zugemacht haben waren es zehn Milliarden und 46 Millionen D-Mark.«
Das war aber alles andere als Zufall, sondern knallharte Kalkulation unter Einbeziehung aller Risiken und Chancen. »Wenig
Sinn hat es, Träume in die Welt zu setzen, nach dem Motto: ›Wir machen jetzt mal das und warten dann, was passiert‹. Man muss
argumentieren können, warum das so sein wird und so sein soll. Und da war ich immer sehr detailfanatisch. Hört mal, habe ich
zu den Mitarbeitern gesagt, wir haben fünf Prozent Marktanteil in Deutschland, obwohl wir mit Abstand Marktführer sind. Und
wenn man noch 95 Prozent holen kann, dann können wir ganz fröhlich wachsen, da braucht man keine großen Studien und Analysen
und Überlegungen, wo können wir denn noch ein halbes Prozentle Marktanteil dazubekommen, wie das im Oligopol der Fall |251| ist. Insofern können wir die nächsten 20 Jahre ganz problemlos weiterwachsen. Da haben wir auch unsere Vorstellungen. Wir
haben jetzt schon für 2017 unsere Planbilanzen in der Schublade, Personalplanungen, Umsatzplanungen. 2017 wollen wir so 18
Milliarden umsetzen.«
Aus jeder Pore verströmt Würth Stolz auf seine Lebensleistung: Die Firma Reisser, bei der einst der Vater angestellt war?
»Das ist heute auch ein Tochterunternehmen.« Der Schraubenfabrikant Arnold, Zulieferer der ersten Stunde? Gehört der Würth-Gruppe.
Und sein Ex-Azubi Albert Berner, der 1958 bei Würth ausstieg
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