Gruene Armee Fraktion
vielleicht sähe alles anders aus, wenn Youssef für immer von der Bildfläche verschwunden wäre, so wie Speedy. Doch jetzt ist es zu spät. Ich besitze eine eidesstattliche Erklärung von ihm. Darin beschreibt er Wort für Wort seine Rolle. Die Anwerbung durch den Verfassungsschutz. Die konspirativen Treffen. Die Gespräche mit Hans Müller. Oder sagen wir, mit dem Mann, der sich so nannte.«
»Und wenn es so gewesen wäre: Wir sprechen hier von einer Szene, die schwerste Straftaten begeht.«
»Schwerste Straftaten? Meinen Sie das Ausreißen von Gen-Kartoffeln?«
Bussung verzog die Lippen zu einem halben Lächeln. »Bei dieser Aktion soll ja sogar ein Journalist mitgemacht haben, dem deswegen noch ein Verfahren droht.«
»Nur zu. Von mir aus kann alles vor Gericht kommen. Dann könnte man gleich noch ein paar Leute mehr vorladen, die dort die Wahrheit sagen müssen, wenn sie vernommen werden. Einen freundlichen Hamburger Verfassungsschützer etwa, der eine Menge erzählen kann. Und es gibt noch einen weiteren, völlig unbestechlichen Zeugen in dieser ganzen Sache. Eine absolut seriöse Quelle.«
»Wen denn?« Zum ersten Mal war bei Bussung eine Spur Nervosität zu bemerken.
»Sie.«
»Ich?« Das Gesicht des hageren Mannes lag fast völlig im Dunkeln. Dennoch war das Weiß in seinen überraschten Augen zu sehen.
»Ja. Alles, was Sie in Ihrem Computer darüber festgehalten haben, ist Beweismaterial erster Klasse.«
»Netter Versuch, mich aufs Kreuz zu legen, Mondrian«, konterte Bussung mit einem gekünstelten Lächeln, »aber in meinen Rechner kommt niemand rein. Abgesehen davon, dass dort nichts zu finden ist.«
»Weil Sie glauben, alles verschlüsselt und gelöscht zu haben? Sie wissen doch, dass Computer ein Gedächtnis wie ein Elefant besitzen. Und die BKA-Experten sind weit vorgedrungen, als sie den Server im Ministerium untersucht haben. Sie sind auf Dokumente gestoßen, die eine Menge verraten.«
»So, was denn?«
»Zum Beispiel dass die ganze Aktion ›Operation Fanal‹ hieß.«
Der Staatssekretär schwieg. Offenbar überlegte er fieberhaft, welche Dateien den Codenamen enthalten haben konnten und wo sie gespeichert waren.
Mondrian wusste, dass er jetzt weiterpokern musste.
»Aus dem Material, das ich inzwischen besitze, geht eindeutig hervor, dass der Verfassungsschutz die Kommune im Schanzenviertel über Wochen ausgespäht hat. Dass Ricarda Walde von Beginn an Zielperson Nummer eins war und Brandtner als ihr Mentor geführt wurde. Dass die Operation in engster Zusammenarbeit mit Schirra vom Hamburger Landesamt lief …«
Er merkte, wie ihm die Munition ausging. Hatte sie gereicht?
Obwohl Bussung sich Mühe gab, seine Züge zu beherrschen, zuckten seine Mundwinkel für einen Moment. Die Anspannung war ihm anzusehen, als er zögernd sagte: »Okay, nehmen wir einen Moment an, es wäre so, wie Sie sagen. Was wäre so schlimm daran, wenn unsere Dienste die radikale Szene infiltrieren? Wenn sie Gefährder frühzeitig ausschalten? Sie waren doch selbst in der Wohnung, wie wir wissen …«
»… und das Gefährlichste dort waren die Beagles und die dicken Grastüten«, unterbrach ihn Mondrian. »Die Bewohner sind vielleicht Öko-Fanatiker, aber keine Terroristen. Die Grüne Armee Fraktion existiert überhaupt nicht. Sie ist eine Erfindung des Geheimdiensts. Der hat die Gruppe erst geschaffen, aufgrund Ihrer Idee!«
»Meine Idee soll das gewesen sein?«
»Ja, Sie sind der Mann, ohne den nichts läuft bei den Sicherheitsbehörden. Sie sind der Mann, der die Fäden im Hintergrund gezogen hat. Und gestern haben Sie sich mit Ihren Mitwissern getroffen, um über das weitere Vorgehen zu beraten. Mit einem Herrn aus dem Ruhrgebiet zum Beispiel, mit einem aus Bayern, mit einem Schwaben. In einem Hotel auf dem Obersalzberg.«
Mondrian sah Bussung direkt in die Augen. Eigentlich erwartete er, dass der Staatssekretär alles leugnen würde. Stattdessen wandte sich Bussung ab und starrte in den Sprühregen, der durch die gelben Lichtkegel zog. Er zog sein Handy hervor und drückte mehrere Tasten. Offenbar ein vereinbartes Signal. Wenige Augenblicke später näherte sich ein Geländewagen mit ausgeschalteten Scheinwerfern, aus dem drei Männer stiegen. Sie bauten sich fünfzehn Meter entfernt auf, massige Gestalten in dunklen Anzügen. Der Stoff wölbte sich an der Stelle, wo man ein Waffenholster vermuten konnte. Sie sagten kein Wort, aber ihre Haltung ließ kaum Zweifel zu, dass sie nur auf Bussungs
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