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Grüne Tomaten: Roman (German Edition)

Grüne Tomaten: Roman (German Edition)

Titel: Grüne Tomaten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fannie Flagg
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war, um zu laufen, watschelte sie ihm wie eine Ente nach und zog ihren kleinen Holzhahn hinter sich her.
    Dieser Buddy besaß eine umwerfende Persönlichkeit, mit dunklen Augen und strahlend weißen Zähnen. Sein Charme konnte einen wirklich verrückt machen. In ganz Whistle Town gab’s kein Mädchen, das nicht irgendwann in ihn verliebt war.
    Man behauptet, alle Partys am süßen sechzehnten Geburtstag seien unvergesslich, und das stimmt auch. Ich erinnere mich noch gut an die rosa-weiße Torte mit dem Karussell oben drauf und den hellgrünen Punsch, den Momma in ihre Kristallschüssel füllte. Überall im Garten hingen Papierlaternen. Aber am denkwürdigsten war der Kuss, den Buddy Threadgoode mir stahl – hinter dem Glyzinienspalier. Oh ja, das tat er, und es war nur der erste Kuss von vielen …
    Tag und Nacht trug Idgie Liebesbriefchen zwischen Buddy und mir hin und her. Wir nannten sie sogar Cupido. Sie war ein Blondkopf mit Kraushaar, blauen Augen und Sommersprossen, und sie geriet nach Momma. Deren Mädchenname lautete Alice Lee Cloud. Sie sagte oft: ›Vor meiner Hochzeit war ich eine Wolke.‹ So ein süßes Ding … Alle in der Familie hatten blaue Augen, außer Daddy und Essie Rue. Die Ärmste besaß ein braunes und ein blaues. Momma erklärte ihr, deshalb sei sie so ein tolles musikalisches Talent. Überall sah Momma was Gutes. Einmal stahlen Idgie und Buddy dem alten Sockwell vier große Wassermelonen und versteckten sie im Brombeerstrauch. Und stellen Sie sich vor, Schätzchen, ehe sie am nächsten Morgen hinlaufen und die Melonen holen konnten, fand Momma sie und dachte, sie wären über Nacht gewachsen. Cleo erzählte mir, sie sei Jahr für Jahr enttäuscht gewesen, weil da keine Melonen mehr wuchsen. Niemand brachte es übers Herz, ihr zu sagen, sie seien damals gestohlen worden.
    Momma war Baptistin und Poppa ein Methodist. Er betonte, ihm würde davor grauen, unter Wasser getaucht zu werden. Also ging Poppa jeden Sonntag nach links zur Fort-Methodist-Kirche, und wir anderen wandten uns nach rechts zur Baptistenkirche. Buddy begleitete Poppa manchmal, aber nach einer Weile ließ er’s bleiben, denn er meinte, die Baptistenmädchen seien hübscher.
    Ständig wohnte jemand bei uns im Threadgoode-Haus. Einmal, im Sommer, lud Momma diesen fetten Baptistenprediger ein, der in unserer Stadt an einem Seminar teilnahm. Als er eines Tages ausging, spielten die Zwillinge in seinem Zimmer mit einer seiner Hosen. Patsy Ruth schlüpfte in ein Hosenbein, Mildred ins andere. Sie amüsierten sich großartig, bis sie ihn die Treppe raufkommen hörten. Sie hatten schreckliche Angst. Patsy Ruth wollte in die eine Richtung laufen, Mildred in die andere, und die Hose riss mitten entzwei. Momma behauptete, Poppa habe die beiden nur deshalb nicht verhauen, weil die Hose einem Baptistenprediger gehörte. Aber wegen der Religion gab es niemals ernsthaften Streit, denn nach dem Gottesdienst trafen wir uns alle daheim zur Sonntagsmahlzeit.
    Poppa Threadgoode war nicht reich, aber damals kam es uns so vor. Er besaß den einzigen Laden in der Stadt. Dort konnte man alles kaufen, was man brauchte, zum Beispiel Waschbretter und Schnürsenkel, Korsette und Mixed Pickels mit Dill, direkt aus dem Fass. Buddy arbeitete in der Drugstore-Abteilung, und ich würde den ganzen Tee von China dafür geben, wenn ich noch mal so ein Erdbeer-Eiscremesoda trinken könnte, wie’s Buddy damals machte. Ganz Whistle Stop kaufte in diesem Laden ein. Deshalb waren wir so überrascht, als er 1922 geschlossen wurde.
    Cleo meinte, Poppa sei deshalb pleite gegangen, weil er zu niemandem nein sagen konnte, weder zu Weißen noch zu Schwarzen. Was immer die Leute wollten oder benötigten, er packte es einfach in eine Tüte und gab’s ihnen auf Pump. Und Cleo behauptete, in diesen Papiertüten sei Poppas Vermögen zur Tür hinausgewandert. Aber keiner von den Threadgoodes konnte zu irgendjemand nein sagen. Schätzchen, die hätten Ihnen ihr letztes Hemd geschenkt, wenn’s Ihnen damals schlechtgegangen wäre. Und Cleo war auch nicht besser. Wir konnten uns nie was Besonderes leisten, aber der Allmächtige sorgte für uns, und wir hatten alles, was wir brauchten. Ich glaube, alle armen Leute sind gut, bis auf die bösen … Und wären sie reich, würden sie böse werden. Die meisten hier im Rose Terrace sind arm. Die haben nur das Geld von der Sozialversicherung und sind in der Krankenkasse.«
    Sie wandte sich zu Evelyn: »Schätzchen, eins müssen Sie

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