Grundlos erschoepft - Nebennieren-Insuffizienz
mehr Energie gebraucht wird, als normalerweise nötig ist. Obendrein findet das Ganze noch in einer Situation statt, in der sich der Körper verzweifelt darum bemüht, genug Energie bereitzustellen, um zumindest den Anschein einer Homöostase aufrechtzuerhalten.
Übermäßiger Stress führt unweigerlich zu einer Erschöpfung der Nebennierenrinde, die dann nicht mehr in der Lage ist, ausreichend Cortisol und Aldosteron zu produzieren. Zu wenig Aldosteron kann zum Kollaps der Nieren führen, im Extremfall sogar zum Tod.
Obwohl wir körperlich oft in gleicher Weise auf Stress reagieren, hat jeder sein persönliches Muster, das es ihm erlaubt, mit Stress fertig zu werden oder nicht. Der nächste Abschnitt handelt davon, wie wir mit den verschiedenen Arten von Stress umgehen, mit denen wir im Leben konfrontiert sind.
Wie wir auf Stress reagieren
Das von Hans Selye entwickelte Reaktionsmuster auf Stress, das wir im vorangegangenen Abschnitt kennengelernt haben, erklärt, wie Tiere auf Stress reagieren. Sein Bezugssystem wird allgemein verwendet, um die typische physiologische Reaktion auf Stress zu beschreiben. In diesem Modell folgt auf die anfängliche Reaktion, die zu einer starken Ausschüttung von Cortisol führt, eine Periode der Erholung, in welcher der Cortisolspiegel niedrig ist. Wenn die Stresssituation weiterhin besteht, stellt sich das Tier darauf ein und produziert mehr Cortisol. Dies ist die Widerstandsphase. Wenn der Stress immer noch anhält, versagen die Nebennieren schließlich ihre Funktion, und das Tier fällt in eine Erschöpfungsphase, in der es nicht mehr auf Stress reagieren kann.
Dieses allgemeine Reaktionsmuster auf Stress ist aber wie gesagt nur ein Modell, das im Tierversuch entwickelt wurde und beim Menschen modifiziert werden muss. Natürlich sind Menschen zwar auch eine spezielle Art Tier, aber sie verhalten sich nicht zwangsläufig exakt wie Ratten im Labor. Tatsächlich verfügen wir über mehrere zusätzliche Reaktionsmuster auf Stress, die sich in der Komplexität und im Zeitablauf voneinander unterscheiden. Die verschiedenen Reaktionsweisen, die ich im Folgenden beschreibe, sind kurze Darstellungen der am häufigsten auftretenden Muster, die ich in meiner Praxis in den letzten zweieinhalb Jahrzehnten in Zusammenhang mit der Nebennieren-Insuffizienz beobachtet habe. Jeder Arzt, der diese Muster kennt, wird sie häufig auch in seiner Praxis antreffen. Man muss sich jedoch immer darüber im Klaren sein, dass jeder Patient, der an einer Schwächung der Nebennieren leidet, seine ganz persönliche Ausprägung dieser Krankheit hat. Nicht alle individuellen Fälle werden daher zu den unten beschriebenen Mustern passen. Die Nummerierung der »Muster« dient nur der besseren Übersichtlichkeit und ist kein Hinweis auf eine bestimmte Gewichtung. Trotz der unterschiedlichen Ausprägungen, die eine Nebennierenschwäche haben kann, sind der Fragebogen und die anderen Werkzeuge, die ich Ihnen in diesem Buch vorstelle, zuverlässige Methoden, um diese Krankheit festzustellen – wie auch immer sie im Einzelfall ausgeprägt sein mag.
Reaktionsmuster Nr. 1: Die Nebennierenschwäche tritt nach einer langen Widerstandsphase auf
Das erste Reaktionsmuster zeigt sich bei Menschen, von denen man sagt, dass sie nichts umhauen kann. Sie bleiben fast ihr ganzes Leben in der Widerstandsphase und werden mit allem fertig, was auf sie zukommt. Obgleich Stressauslöser sie einen Tag oder zwei Tage oder sogar mal eine ganze Woche aus der Bahn werfen können, kommen sie immer wieder auf die Beine. Normalerweise bleiben diese Menschen bis spät im Leben, wenn sich durch ihr Alter die Nebennierenproduktion verringert, in der Widerstandsphase. In einigen Fällen kommt es jedoch durch einen starken Stressauslöser, wie zum Beispiel durch eine ernsthafte Verletzung oder einen starken emotionalen Ärger, zu einer Nebennierenschwäche. Manchmal sind die Betroffenen noch dazu in der Lage, sich von Schicksalsschlägen zu erholen und mit dem Stress fertig zu werden (siehe Abbildung). Klinisch gesehen hat sich jedoch nach einem tragischen Vorfall (Unfall, Krankheit, starkes emotionales Ereignis) ihre Fähigkeit zur Stressbewältigung verringert.
Ein anschauliches Beispiel für dieses Muster ist jemand, den bei der Arbeit offenbar nichts umhauen kann. Er übernimmt mehr Verantwortung und erledigt alles, was von ihm erwartet wird. Dann passiert eines Tages etwas, was einen extremen Stress auslöst, etwa eine schwere
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