GU Mein Gluecksrezept
seither in einem nagelneuen Mercedes durch die Welt.
Plötzlich trat etwas völlig Unvorhergesehenes, nicht Planbares in mein Leben, und so musste ich die Bremse ziehen, ob ich wollte oder nicht.
Alles wie im Bilderbuch
Es war alles einfach perfekt – oder so gut wie perfekt. Sie werden lachen, aber wir waren fast wie eine dieser Vorzeigefamilien in der Margarinewerbung, bis dato allerdings nur als Pärchen. Meine Schwiegermutter strickte verschiedene Babyensembles für jede Lebenslage und jede Witterung, mein Schwiegervater fantasierte darüber, wie er als ehemaliger Bundeswehr-Bademeister dem oder der Kleinen das Schwimmen beibringen und es auf die Seepferdchen-Prüfung trainieren würde. Meine Eltern freuten sich ebenfalls auf ihr erstes Enkelkind, auch wenn ich vor dem Abschluss meiner Facharztausbildung schwanger geworden war.
Stefan sorgte unermüdlich für uns und unser Wohlergehen, indem er seine Karriere vorantrieb, und ich arbeitete mit immer runder werdendem Bauch meinen OP-Pflichtenkatalog ab, der es in sich hatte. Denn neben reichlich theoretischem Wissen musste man auch an die hundert unterschiedliche Operationen vorweisen, die man selbstständig durchzuführen hatte. So lief im Sommer 1999 alles geradezu rund bis zur 28. Schwangerschaftswoche.
Auf einmal bekam ich deutliche, unmissverständliche Wehen, die leider – das war mir als Frauenärztin allzu schnell klar – nichts mehr mit harmlosen Vorwehen zu tun hatten.
Das dicke Ende
Ich hatte mich extrem überlastet und bekam nun die Rechnung dafür präsentiert. Es war Sommer und draußen glühend heiß; welches Baby im Bauch hätte da nicht gestrampelt? Und in meinem Beruf ist man natürlich viel auf den Beinen; mehr als einer Schwangeren guttut. Ich hatte mich darüber nie beklagt. Die Schwangerschaft ist keine Krankheit. Das sage ich meinen Patientinnen auch immer. Sie ist ein völlig natürlicher Zustand, während dessen man durchaus und ohne Probleme seinem Tagwerk nachgehen kann. Nur war ich jetzt sehr besorgt um den kleinen Spatz in meinem Bauch.
Allerdings bin ich eben ein sehr zielstrebiger Mensch und lasse mich ungern vom Weg abbringen. Aber nun warf es mich doch aus der Bahn. Plötzlich trat etwas völlig Unvorhergesehenes, nicht Planbares in mein Leben, und so musste ich die Bremse ziehen, ob ich wollte oder nicht. Und das bei meinem vorbildlichen Lebenswandel, wie ich fand: Ich hatte nicht zu viel zugenommen, ernährte mich ausgewogen, trank keinen Alkohol und rauchte nicht. Es war gemein, fand ich. Ich hätte nur so auf den Boden stampfen können. Trotzdem musste ich es durchstehen, beruhigte den Fratz in meinem Bauch und vertröstete ihn auf Dienstschluss.
Dummerweise bekam ich mitten in einer OP so starke Wehen, dass ich – preußische Disziplin hin oder her – dem Ärzteteam nichts mehr vormachen konnte und auch Professor Egger aufmerksam wurde. Er verfügte streng: »Ab ins Bett!«, während ich mich vor Schmerzen krümmte. Und er hatte ja recht: Eine Frühgeburt birgt enorme Risiken.
Der Widerspenstigen Zähmung
Aber ich weinte vor Wut, und mir liefen die Tränen übers Gesicht – nicht vor Schmerz, nein nein. Ich wollte meinen Professor von dieser – wie ich fand – unsinnigen Idee abbringen, weil ich bis zur nächsten Prüfung noch möglichst viele Operationen mit Baby im Bauch absolvieren wollte. Mir war klar, dass sich das natürlich nicht mehr so einfach gestalten würde, wenn mein Kind auf der Welt wäre. Aber er blieb streng und schickte mich in ein Einzelzimmer, damit ich, wie er sagte, mit meiner Rastlosigkeit nicht noch andere Schwangere verrückt machen würde. Das OP-Team war fassungslos, weil ich als cooles Hamburger Mädel galt, extrem tough.
Nun lag ich in meinem vom Professor verordneten Einzelzimmer und musste erstmals ein Gefühl erleben, das mir bis dato fremd war: Hilflosigkeit und Ohnmacht. Ich lag auf meiner eigenen Station – als Patientin. Und zwar als eine, die für die nächsten Wochen zur unbedingten Bewegungslosigkeit verdammt war.
Rollentausch und Zwangspause
Eben noch Ärztin, im nächsten Moment Patientin, dieser Einschnitt war nicht einfach für mich. Von der Handelnden zur Behandelten zu werden, bedeutet Kontrollverlust. So etwas ist kein Spaß. Weil ich vom Fach bin, wusste ich, welche Maßnahmen die Kollegen einleiten und welche positiven wie negativen Folgen diese haben konnten. Dazu kommt, dass ich es als Ärztin gewohnt war, auch in Stresssituationen alles im Griff zu haben.
Weitere Kostenlose Bücher