Gucci war gestern: Bekenntnisse einer eingebildeten Glamour-Queen, oder warum Sie nie mit Ihrer Pradatasche aufs Arbeitsamt gehen sollten (German Edition)
mich mit Wills Eskapaden herumschlagen muss. Dieser Kerl ist wirklich eine kolossale Niete. Obwohl ich eigentlich dem Chef meiner Produktlinie in New York unterstellt bin, musste ich mich bei Will vorstellen. Und was glauben Sie, was bei meinem Vorstellungsgespräch sein schlagendes Argument für das Unternehmen war? Entwicklungspotential? Aktienoptionen? Eine großzügige Altersvorsorge? Nein. Will mag Corp. Com., weil es für die Angestellten kostenlose Kaltgetränke gibt. Ja, genau wie bei McDonald’s, aber darum reißen die Leute sich noch lange nicht darum, dort zu arbeiten.
Meine Probleme mit Will fingen gleich an meinem ersten Arbeitstag an. Ich tanzte in einem umwerfenden khakifarbenen Kostüm von Elie Tahari mit auffälligem schwarzem Kontrastsaum an, bereit, mich gleich in die Arbeit zu stürzen.
»Hallo, Jen Lancaster, nett, Sie wiederzusehen«, sagte ich und streckte ihm die Hand hin.
»Ja, ähm, hey, Jenny, ich, ähm«, stammelte er.
»Ich heiße Jen «, unterbrach ich ihn. 28
»Was? Oh, ja. Entschuldigen Sie. Ähm, ja. Also, ähm, herzlich willkommen. Ja. Möchten Sie vielleicht’ne Limo oder so was? Die gibt’s umsonst!«, meinte er mich noch mal erinnern zu müssen.
»Nein, danke. Aber ich würde mich gerne gleich in die Arbeit stürzen. Ich habe jede Menge Ideen, und ich brenne darauf, sie auszuarbeiten, wenn Sie also so nett wären, mir mein Büro zu zeigen, damit ich gleich loslegen kann.«
Will schaute sich nervös um und nestelte mit dem Finger an seinem Kragen herum. »Ähm, ja klar. Es gibt da nur ein winzig kleines Problem. Ich, ähm, habe Ihr Büro sozusagen, ähm, in einen Lagerraum umfunktioniert.«
»Wie bitte?« Nein. Nein, nein, nein! Mit ein Grund, zu dieser Firma zu wechseln, war das Versprechen, hier ein eigenes Büro zu bekommen. Unter keinen Umständen würde ich wieder in die Niederungen des Großraumbüros zurückkehren.
»Ja, es ist nämlich so, ich habe ein bisschen zu viel Marketingmaterialien bestellt, und die musste ich irgendwo zwischenlagern, weil die mir nicht erlauben, das Zeug wieder zurückzuschicken. Also, ähm, ja, tut mir leid.«
»Okay.« Begeistert war ich zwar nicht gerade, doch ich bekam noch immer ein unverschämt hohes Gehalt, also würde ich mich wohl damit arrangieren können. »Und wo soll ich dann sitzen?«
»Ähm, wir haben keine Rezeptionistin mehr, ihr Schreibtisch wäre also frei. Ginge das? Da ist, also, jede Menge Platz zum Arbeiten.«
Mit einem Seitenblick musterte ich den Schreibtisch am Ein-gang. »Aber kommen da nicht alle Leute rein, und kommen die dann nicht automatisch zu mir – der Person, die hinter der Rezeption sitzt -, wenn sie irgendwelche Fragen haben?«
»Ähm, na ja, allerdings nicht so oft, und Sie können doch die Kollegen anpiepsen, wenn jemand nach ihnen fragt, und Lieferungen anzunehmen dauert ja auch nicht lange und …«
Wieder fiel ich ihm ins Wort. »Will, glauben Sie wirklich, UPS-Pakete zu verteilen wäre die beste Verwendungsmöglichkeit für meine Arbeitszeit und mein Gehalt?«
»Ähm, ähm …«, stotterte er.
»Nein? Dann besorgen Sie mir einen anderen Arbeitsplatz.«
»Okay, kommen Sie mit.« Und damit schlurfte er über den Gang davon, und ich folgte ihm mit etwas Abstand.
»Und ganz ehrlich? Du solltest es mal mit Ritalin probieren. Wirkt wahre Wunder bei ADHS.«
»Was haben Sie gesagt?« Will drehte sich mit vorwurfsvollem Gesicht zu mir um.
»Ich sagte, ich bin wirklich froh, hier mit an Bord zu sein. Und jetzt suchen wir einen Schreibtisch für mich.«
Also sitze ich jetzt wieder hinter einer Trennwand im Großraumbüro. Nicht so schlimm, wie ich dachte, weil ich zumindest ein bisschen Privatsphäre habe und dazu einen tollen Ausblick auf den See. Trotzdem gibt es doch kaum etwas Befriedigenderes, als mit Getöse die Bürotür hinter sich zuzuknallen, wenn der Pöbel draußen mal wieder zu laut wird. Und wo wir gerade bei laut sind, in der Kundenbetreuung von Midwest herrscht ein unglaublicher Lärmpegel. Irgendwer in unserem Team ist auf die geniale Idee gekommen, unsere Produktivität dadurch zu erhöhen, dass man uns ein Ventil für unsere angestaute Kreativität bietet. Wurden wir mit Musik beschallt, bekamen wir Theaterkarten oder wurden zu teambildenden, geistig anregenden Seminaren geschickt? Nein. Wir bekamen einen Air-Hockey-Tisch. Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie mir dieses testosteronlastige Gegröle auf die Nerven ging, das den ganzen Tag durchs Büro hallte. Zeitweise hätte
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