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Guido Guerrieri 03 - Das Gesetz der Ehre

Guido Guerrieri 03 - Das Gesetz der Ehre

Titel: Guido Guerrieri 03 - Das Gesetz der Ehre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gianrico Carofiglio
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wäre, wenn er mit diesen Drogen wirklich nichts zu tun hatte? Wenn es wirklich jemanden gab, der sich dieses System ausgedacht hatte, um kiloweise Kokain über die Grenze zu schmuggeln? Je länger ich über die Angelegenheit nachdachte, desto schizophrener wurden meine Überlegungen. Auf der einen Seite erschienen sie mir wie Phantasiegeschichten, wie sie höchstens in Filmen oder Romanen vorkommen. Andererseits empfand ich die Vorstellung, Paolicelli könne die Wahrheit sagen, als entsetzlich realistisch. Irgendwie erinnerte mich die ganze Geschichte an die Vexierbildchen, die ich als Kind in Schmelzkäsepackungen gefunden hatte: Die Abbildungen auf diesen Bildchen veränderten sich, je nachdem, wie man die Bildchen drehte: Die Hauptfigur bewegte sich, andere Figuren tauchten auf.
    Ähnlich war es hier. Ich hatte das Gefühl, ein Vexierbild in Händen zu halten, auf dem die Gestalten verschwammen und einen üblen Geruch verströmten, sobald ich näher hinsah.
    Ich sagte zu Paolicelli, das würde mir für den Augenblick genügen. Jetzt müsse ich die Unterlagen durchsehen, um mir ein genaueres Bild von der Situation zu machen. Er meinte, seine Frau habe eine Kopie der gesamten Akte und könne mir diese bis zum Wochenende in meine Kanzlei bringen.
    Dann fragte er mich, wie viel sie mir als Vorschuss überweisen sollten, und ich meinte, bevor ich den Auftrag annähme, müsse ich erst die Akte einsehen – auch weil ein Kollege in die Sache verwickelt sei. Er nickte und stellte keine weiteren Fragen.
    Ich stand auf und hatte bereits meinen Mantel in der Hand, als mir einfiel, dass ich gern noch etwas gewusst hätte, bevor ich ging.
    »Warum eigentlich ich? Ich meine, es gibt schließlich noch andere Anwälte...«
    Paolicelli lächelte und machte dabei ein seltsames Gesicht. Er hatte auf diese Frage gewartet.
    »Im Gefängnis wird viel geredet. Besonders viel wird über Richter und Staatsanwälte geredet. Über die guten und die schlechten, die tüchtigen, die gefährlichen, die korrupten, die Arschlöcher. Und über Anwälte.«
    Er unterbrach sich und sah mich an. Mein Gesicht sagte ihm, dass ich ihm folgte.
    »Über Anwälte, die zwar Könner, aber Arschlöcher sind. Oder solche, die anständig, aber unfähig sind oder den Richtern nach dem Mund reden. Arschkriecher. Über solche, die sich brüsten – oder vorgeben, dass sie für jede Tür den richtigen Schlüssel besitzen. Es wird wirklich sehr viel geredet.«
    Wieder eine Pause, wieder ein Blick. Mein Gesicht hatte immer noch denselben Ausdruck. Er suchte nach Worten.
    »Von Ihnen wird behauptet, Sie hätten keine Angst.«
    »Inwiefern?«
    »Es heißt, Sie würden nicht kneifen, wenn es darum geht, sich für eine gerechte Sache einzusetzen. Es heißt, Sie seien anständig.«
    Ich verspürte ein leises Kribbeln, zuerst auf der Kopfhaut, dann auch im Rücken.
    »Und Sie gelten als sehr guter Anwalt.«
    Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Er sprach weiter, und seine Stimme begann zu zittern, als schaffe er es nicht länger, sich zu beherrschen.
    »Holen Sie mich hier raus, Avvocato , ich bin unschuldig, das schwöre ich Ihnen. Ich habe eine kleine Tochter, sie ist das einzig wirklich Wichtige in meinem Leben. Ich hab eine Menge Mist gebaut, aber dieses Kind gibt meinem Leben einen Sinn. Ich hab die Kleine seit meiner Festnahme nicht mehr gesehen; ich möchte nicht, dass sie mich hier im Gefängnis besucht. Deshalb habe ich sie seit jenem vermaledeiten Morgen nicht mehr gesehen.«
    Die letzten Worte waren halb geröchelt, halb geflüstert.
    Jetzt wollte ich nur noch weg, und zwar so schnell wie möglich. Ich sagte zu Paolicelli, dass ich seine Unterlagen studieren würde, sobald ich sie bekäme, und dass wir uns in Kürze wiedersehen würden, um darüber zu reden. Dann schüttelte ich ihm die Hand und ging.

3
    N icht einmal einen Blick durfte ich in diese Unterlagen werfen, sagte ich mir, als ich am Abend zu Hause war.
    Ich durfte Fabio Raybàn einfach nicht verteidigen. Die Dinge, die mir durch den Kopf gegangen waren, als ich ihn wiedererkannt hatte, waren ein Warnsignal. Ein Warnsignal, das ich nicht übersehen durfte.
    Ich musste mich benehmen, wie es sich für einen seriösen Anwalt – und für einen reifen Mann – gehörte.
    Paolicelli war aller Wahrscheinlichkeit nach schuldig und völlig zu Recht verurteilt worden. Doch gerade deshalb hatte er ein Anrecht darauf, professionell verteidigt zu werden, von jemandem, der frei war von Vorbehalten und der keine

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