Guido Guerrieri 03 - Das Gesetz der Ehre
ist auch schon Arbeit. Deshalb...«
Ich hob abwehrend die Hände und schüttelte den Kopf. Vorerst wolle ich kein Geld, danke, aber so würde das in dieser Kanzlei nun mal gehandhabt. Sie ließ die Sache auf sich beruhen. Anstelle von Geld oder einem Scheck zog sie eine Visitenkarte aus der Brieftasche und reichte sie mir.
Natsu Kawabata, Japanische Küche, stand in der Mitte der Karte. Darunter zwei Telefonnummern, Festnetz und Handy. Ich las die Karte, hob den Kopf und sah sie fragend an.
Sie sagte mir, sie sei Köchin. An drei Abenden in der Woche arbeite sie in einem Restaurant – sie nannte mir den Namen eines sehr beliebten Lokals -, außerdem bereite sie Sushi, Sashimi und Tempura für Privatveranstaltungen von Leuten zu, die sich das leisten konnten. Japanisches Essen sei nun mal nicht billig.
Der Satz rutschte mir heraus, ohne dass ich es verhindern konnte: »Ich hätte gedacht, Sie sind Fotomodell oder etwas in der Art. Aber keine Köchin.« Idiot, dachte ich und hätte mir am liebsten die Zunge abgebissen.
Sie lächelte. Es war nur der Anflug eines Lächelns, aber wunderschön.
»Ich habe auch als Model gearbeitet.« Ihr Lächeln erlosch. »Genau in dieser Zeit habe ich Fabio kennengelernt, das war in Mailand. Es scheint mir ewig her zu sein, nichts ist mehr wie damals...«
Sie ließ den Satz offen, und in den Sekunden des Schweigens, die ihm folgten, versuchte ich mir vorzustellen, wie die Beziehung zwischen ihnen begonnen hatte, warum sie von Mailand nach Bari umgezogen waren. Und andere Dinge. Schließlich war sie es, die das Schweigen und meine Gedanken unterbrach.
»Aber ich arbeite lieber als Köchin. Kennen Sie die japanische Küche?«
Ich sagte, ja, ich kenne und schätze sie sehr.
Sie sagte, dann müsse ich bei Gelegenheit einmal ihre Kreationen ausprobieren.
Das war nur so dahingesagt, eine Höflichkeitsfloskel, nahm ich an.
Trotzdem verspürte ich ein Kribbeln, wie man es mit sechzehn spürt, wenn das schönste Mädchen der Klasse in einer Anwandlung herablassenden Wohlwollens unerwartet im Schulkorridor stehen bleibt, um ein paar Worte zu wechseln.
Natsu bat mich, sie anzurufen, sobald ich die Akte durchgelesen und meine Entscheidung getroffen hätte.
Dann ging sie, und mir fiel ein, dass sie mit keinem Wort erwähnt hatte, dass sie in einer meiner Gerichtsverhandlungen gewesen war, um mich bei der Arbeit zu erleben. Ich fragte mich, weshalb, und fand keine Antwort.
In der Luft blieb ein zarter Duft nach Ambra zurück. Mit dieser etwas herberen Note, die ich nicht zu benennen vermochte.
5
Kurz vor neun kam Maria Teresa in mein Büro und fragte, ob ich noch etwas brauche, sie sei nämlich im Begriff zu gehen. Ich bat sie, mir noch rasch eine Pizza und ein Bier zu bestellen. Sie sah mich an, und ihr Gesicht drückte in etwa Folgendes aus: Es ist Freitagabend, willst du wirklich im Büro bleiben, eine triste Pizza essen, ein tristes Bier trinken und arbeiten?
Ich sah sie ebenfalls an, und mein Gesicht antwortete: Ja, das will ich, auch weil ich nichts Besseres zu tun habe. Oder wenigstens keine Lust habe, etwas Besseres zu tun.
Und wenn du’s ganz genau wissen willst, habe ich nicht einmal Lust, darüber nachzudenken.
Sie war drauf und dran, etwas zu erwidern, verzichtete dann aber und meinte, sie würde mir die Pizza bestellen und wir würden uns Montag früh wiedersehen.
Ich aß die Pizza, trank das Bier, säuberte meinen Schreibtisch, schob das letzte Album von Leonard Cohen – Dear Heather – in den CD-Player und widmete mich den Unterlagen, die Frau Natsu Kawabata mitgebracht hatte.
Sie heißt wie der Schriftsteller, Kawabata, ging mir durch den Kopf. Wie war noch gleich der Titel dieser Erzählung? Die schlafenden Schönen , wollte mir scheinen. Yasunari Kawabata. Traurig und wunderschön, diese Erzählung. Ich nahm mir vor, sie gelegentlich noch einmal zu lesen. Ob Natsu eine Verwandte – etwa die Nichte – des Nobelpreisträgers Kawabata war?
Was für ein intelligenter Gedanke, sagte ich mir. Wirklich sehr intelligent. Als würde ein Japaner, der einen Signor Rossi kennenlernt, sich fragen: »Ob der wohl mit dem Motorradfahrer Rossi verwandt ist?«
Lies lieber die Prozessakte, das ist besser.
Ich war schnell damit fertig. Es war alles so, wie Paolicelli es mir geschildert hatte. Im Polizeiprotokoll über die Festnahme wie auch im Protokoll der Beschlagnahme war die Rede von einer Routinekontrolle mit Drogenspürhunden im Hafengebiet. Ich dachte dasselbe wie
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