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Guido Guerrieri 03 - Das Gesetz der Ehre

Guido Guerrieri 03 - Das Gesetz der Ehre

Titel: Guido Guerrieri 03 - Das Gesetz der Ehre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gianrico Carofiglio
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Strafmilderung nennt, eine Art Kompromiss oder Vergleich. Die Leute verlangen viel von einem Rechtsanwalt; vor allem, dass er ihnen die Angst nimmt, mit Polizisten, Staatsanwälten, Richtern und Prozessen zu tun zu haben. Mit der so genannten Justiz. Sie verlangen, dass er ihnen die Angst vor dem Nachdenken abnimmt.
    »Die Situation ist ziemlich vertrackt, nach allem, was Ihr Mann mir erzählt hat. Wenn seine Darstellung dem Hergang der Dinge exakt entspricht« – dem Hergang der Dinge exakt entspricht? Wie zum Teufel drückte ich mich eigentlich aus? -, »wird sich die Berufung alles andere als einfach gestalten. Sie wird sogar äußerst kompliziert werden, und deshalb sollte die Möglichkeit eines Vergleichs ernsthaft in Erwägung gezogen werden. Andererseits...«
    »Andererseits?«
    »Ihr Mann behauptet, unschuldig zu sein. Und für einen Unschuldigen ist der Gedanke, sieben, acht Jahre absitzen zu müssen – sofern die Richter sich überhaupt darauf einlassen -, natürlich hart, ziemlich hart sogar. Und da sind auch Freigänge und halboffener Vollzug nur ein schwacher Trost.«
    Mit dieser Antwort hatte sie nicht gerechnet. Sie merkte, dass sie immer noch ihren Mantel anhatte, und knöpfte ihn nervös auf, als schwitze sie mit einem Mal oder bekomme keine Luft mehr. Ich fragte sie, ob sie ihn ausziehen und mir geben wolle, ich würde ihn aufhängen. Nein danke, das wollte sie nicht. Gleich darauf zog sie ihn aber aus und legte ihn sich über die Knie.
    »Glauben Sie wirklich, dass Fabio unschuldig sein könnte?«
    So. Das hatte ich nun davon.
    »Das ist eine sehr schwierige Frage, Frau Paolicelli. Wissen Sie, wir Anwälte kennen die Wahrheit meistens nicht. Wir wissen nicht, ob ein Mandant schuldig oder unschuldig ist. Und das ist oft sogar besser, denn eine professionelle Verteidigung kann unter Umständen wirksamer sein...«
    »Sie nehmen ihm seine Geschichte nicht ab, stimmt’s?«
    Ich atmete tief durch und widerstand der Versuchung, noch mehr Unsinn von mir zu geben.
    »Eine klare Vorstellung kann ich mir erst machen, wenn ich die Unterlagen gelesen habe. Aber zugegeben, besonders glaubwürdig ist die Geschichte Ihres Mannes nicht.«
    »Auch ich bin mir nicht sicher, ob sie stimmt. Ob er mir die Wahrheit erzählt, auch wenn er mir tausendmal geschworen hat, dass das Rauschgift nicht von ihm war. Manchmal glaube ich ihm, manchmal denke ich, dass er alles abstreitet, weil er sich schämt. Weil er niemals zugeben könnte, dass er dieses Zeug im selben Wagen transportierte wie mich und unser Kind.«
    Ganz meiner Meinung. Das ist die plausibelste Erklärung und vermutlich die Wahrheit.
    Dachte ich, während ich sie schweigend und mit ausdrucksloser Miene betrachtete. Und noch etwas dachte ich, während ich sie betrachtete.
    Es stimmte nicht, dass sie Zweifel hatte. Sie war von der Schuld ihres Mannes überzeugt, und dieser Fluch belastete sie, seit diese Sache passiert war, mehr als alles andere.
    »Fabio sagte mir, Sie würden zuerst die Akte lesen und dann entscheiden, ob Sie ihn vor Gericht verteidigen. Darf ich fragen, warum? Heißt das, Sie verteidigen ihn nicht, wenn Sie zu der Überzeugung gelangen, dass er schuldig ist?«
    Diese Frage hatte mir gerade noch gefehlt. Nein, meine Liebe, es ist mir total egal, ob er schuldig ist oder nicht. Ich bin es gewohnt, Schuldige zu verteidigen, das mache ich tagtäglich. Das Problem ist nur, dass dein Mann – wer weiß, ob er’s dir je erzählt hat – früher mal ein Gauner war und vielleicht sogar ein Mörder, oder zumindest der Komplize von Mördern. Und das habe ich am eigenen Leib erfahren. Es geht hier also um eine persönliche Angelegenheit, wenn du verstehst, was ich meine. Jedenfalls bin ich mir nicht sicher, ob ich ihn unter diesen Voraussetzungen anständig verteidigen könnte.
    Dies alles sagte ich nicht.
    Ich sagte, ich würde immer zuerst die Akte lesen, bevor ich einen Auftrag annahm, das hätte ich mir in meinem Beruf so angewöhnt. Ich kaufte nun mal nicht gerne die Katze im Sack. Das war eine Lüge, aber ich kam nicht ohne sie aus.
    »Bis wann können Sie mir sagen, ob Sie die Verteidigung übernehmen?«
    »Die Akte ist nicht besonders umfangreich. Ich denke, ich kann sie mir übers Wochenende ansehen und Ihnen Montag, spätestens Dienstag Bescheid geben.«
    Sie zog ein dickes Herrenportemonnaie aus der Tasche.
    »Fabio hat mir gesagt, Sie wollten keinen Vorschuss, bevor Sie Ihre Entscheidung fällen. Aber Sie müssen die Akte doch lesen, und das

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